Öffentliche DJS-Veranstaltung „Die Möglichkeiten der UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW für die Schweizer Rechtspraxis ausschöpfen! Präsentation des Online-Leitfadens“ vom 29. Januar 2013

Die Schweiz hat die UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW 1997 ratifiziert (SR 0.108). Damit hat sie sich verpflichtet, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen und eine aktive Gleichstellungspolitik zu betreiben. In ihrem Einführungsreferat stellte Dr. Erika Schläppi – Rechtsanwältin und unabhängige Beraterin im Bereich Menschenrechte, Staatsaufbau und Zugang zu Justiz in Entwicklungs- und Transitionsländern, aber auch in der Schweiz – die Grundpfeiler des UNO-Frauenrechtsübereinkommens CEDAW und die Pflichten und Instrumente der Vertragsstaaten dar. Darin ist auch das Instrument der „zeitweiligen Sondermassnahmen“ verankert, das den Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Frau und Mann zur Verfügung steht (z.B. Quotenregelungen etc.) und nicht unter das Diskriminierungsverbot fällt.

Das Zusatzprotokoll – für die Schweiz seit 2008 in Kraft – sieht ein Mitteilungsverfahren („Individualbeschwerdeverfahren“) vor. Dieses gibt Mädchen und Frauen die Möglichkeit, sich beim CEDAW-Ausschuss zu beschweren, wenn sie sich in ihren Rechten aus dem Übereinkommen verletzt fühlen. Die Schweizer Rechtspraxis nutzt die Möglichkeiten dieses internationalen Instruments erst ansatz- weise (vgl. BGE 137 I 305 betr. Kommission für Chancengleichheit von Frau und Mann des Kantons Zug). Die Zurückhaltung des Bundesgerichts – es hat bis jetzt aus dem Übereinkommen keine direkt anwendbaren Rechte abgeleitet – wird vom Ausschuss CEDAW und in der Literatur kritisiert.

Um die Nutzung von CEDAW vor Schweizer Gerichten zu erleichtern, hat die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF einen Online-Leitfaden erarbeitet. Erika Schläppi präsentierte dessen Anwendung und zeigte anhand konkreter Modellbeispiele aus diversen Rechtsgebieten auf, wie die rechtliche Argumentation mit dem Übereinkommen aussehen kann. Vgl.www.frauenkommission.ch> Dokumentation > „CEDAW-Leitfaden für die Rechtspraxis  - Das Übereinkommen CEDAW und sein internationales Mitteilungsverfahren – Nützliches und Wissenswertes für die Anwaltspraxis“ (verfügbar auf Deutsch und Französisch).

In der anschliessenden Diskussion mit dem Publikum wurden die Voraussetzungen für eine vermehrte Bezugnahme von AnwältInnen auf CEDAW erörtert. Damit konkrete Unterlassungs- oder Leistungsansprüche gegenüber Schweizer Gerichten und Verwaltungsbehörden im Einzelfall direkt auf das Übereinkommen gestützt werden können, bedarf es einerseits sorgfältiger Begründung. Es ist jedoch wichtig, sich in schweizerischen Verfahren ergänzend zu schweizerischen Normen (z.B. Art. 8 BV oder Gleichstellungsgesetz) auch direkt auf CEDAW-Bestimmungen zu stützen. So bleibt der Weg offen für ein individuelles Mitteilungsverfahren vor dem CEDAW-Ausschuss. Und andererseits braucht es – wie meist, wenn es um das Voranbringen der Geschlechter-Gleichstellung geht – PionierInnen-Geist und einen langen Atem. Das Online-Tool der EKF ist ein wichtiges Instrument, das eine mit dem anderen zu verbinden.

Bettina Bannwart