Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren betreffend die Ratifikation des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 18. Dezember 2002 sowie die entsprechende Ausführungs-gesetzgebung (Vernehmlassungsfrist 31.12.2005)

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens (Dezember 2006)
Rapport sur les résultats de la consultation (décembre 2006)

Bern, den 23. Dezember 2005


Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Bundesamt für Justiz
3003 Bern

 

Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren

 

Wir danken Ihnen für die Gelegenheit, im oben genannten Vernehmlassungsverfahren Stellung nehmen zu dürfen.


1. Vorbemerkung

Gestützt auf das Fakultativprotokolls zur Folterkonvention (OPCAT) sollen sowohl auf internationaler wie auf nationaler Ebene Kontrollgremien eingerichtet werden, die Anstalten des Freiheitsentzugs besuchen, Berichte verfassen und Empfehlungen formulieren. Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz begrüssen es, dass die Schweiz das Protokoll nun ebenfalls ratifizieren und umsetzen wird, zumal sie seine Entstehung massgeblich mitgetragen hat.


2. Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für einen nationalen Präventions-mechanismus (Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter)

Auf internationaler Ebene setzt das Fakultativprotokoll einen Unterausschuss zum UN-Folterausschuss ein, der alle Freiheitsentzugsanstalten in den Vertragsstaaten besuchen kann. Gleichzeitig werden die Vertragsstaaten verpflichtet, einen Präventionsmechanismus auf nationaler Ebene einzurichten, der ebenfalls regelmässige Kontrollbesuche solcher Anstalten beinhaltet. Wir unterstützen die vorgesehene Lösung, die ein einziges Gremium auf Bundesebene vorsieht. Eine Bundeslösung ist effizient, Kosten sparend, garantiert die Anwendung einheitlicher Standards und erlaubt eine koordinierte Umsetzung von OPCAT. Wie der Begleitbericht überzeugend darlegt, ist es zudem richtig, die wichtigsten Regelungen ins Gesetz aufzunehmen, selbst wenn sie sich aus direkt anwendbaren Bestimmungen von OPCAT ableiten.

 

Unsere Vorschläge betreffen folgende Punkte:
- Prüfung weiterer Kompetenzen der Kommission (Art. 2)
- Erwähnung der Heime und Anstalten für Minderjährige (Ergänzung Art. 3)
- Klare gesetzliche Grundlage für die Finanzierung: Verankerung der Entschädigung für die Kommissionsmitglieder; Regelung des Sekretariats (Ergänzung Art. 6 und 7)
- Ausdrückliche Erwähnung der Befugnis zu unangemeldeten Besuchen (Ergänzung Art. 8)
- Aufnahme der straf- und zivilrechtlichen Immunität von Auskunftspersonen (Ergänzung Art. 8)


3. Vorschläge zu einzelnen Gesetzesbestimmungen

Ad. Art. 2  (Aufgaben der Kommission)

In Umsetzung von Art. 19 OPCAT soll die Kommission nach dem Vorschlag des EJPD die Befugnis erhalten, regelmässig Einrichtungen des Freiheitsentzugs zu besuchen, Empfehlungen an die zuständigen Behörden abzugeben, Vorschläge und Bemerkungen zur geltenden Rechtslage oder zu Gesetzesentwürfen zu unterbreiten und einen Jahresbericht zu veröffentlichen. Wie Art. 19 einleitend festhält, handelt es sich dabei (mit Ausnahme des Jahresberichts) um Befugnisse, die die Vertragsstaaten dem Überwachungsgremium mindestens (sic) einräumen müssen.

Leider geht aus dem Begleitbericht des EJPD nicht hervor, ob die Arbeitsgruppe über diese Minimallösung hinaus weitere Befugnisse oder Pflichten der Kommission geprüft hat, z.B. die Information der Öffentlichkeit in speziellen Fällen (ausserhalb des Jahresberichts), die Ent-gegennahme und die Behandlung von Beanstandungen, die Zusammenarbeit mit kantonalen Behörden betreffend Weiterbildung usw. Wir empfehlen daher, diese Fragen zu klären, bzw. der Kommission die Möglichkeit zu geben, über den Jahresbericht hinaus die Öffentlichkeit informieren zu können, als wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Bevölkerung und für die bessere Wahrnehmnung des Präventionsgedankens.


Ad. Art. 3 (Freiheitsentzug)

Art. 4 Abs. 2 OPCAT  gibt die Definition freiheitsentziehender Anstalten vor: Freiheitsentzug im Sinne des Protokolls ist jede Form des Festhaltens oder der Inhaftierung oder Unterbringung eines Menschen in einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die diese Person auf Grund einer Entscheidung einer Justiz-, Verwaltungs- oder sonstigen Behörde nicht nach Belieben verlassen darf. Erfasst werden somit nicht nur Strafvollzugsanstalten, sondern auch alle anderen Anstalten des Massnahmenvollzugs, Hafteinrichtungen im Rahmen der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen, Heime oder Kliniken (inkl. Sicherungsmassnahmen und Erwachsenenschutz/fürsorgerischer Freiheitsentzug), aus welchen sich die betreffenden Personen nicht nach freiem Willen entfernen dürfen. Schliesslich müssen darunter auch Kinder- und Jugendheime fallen (Minderjährigenschutz und Jugendmassnahmevollzug).  Da der Begriff „Person“ im schweizerischen Recht Minderjährige nicht immer mitmeint, schlagen wir im Sinne einer Präzisierung vor, Art. 3 entsprechend zu ergänzen.


Art. 3
Als Freiheitsentzug im Sinne dieses Gesetzes gilt jede Form des Festhaltens oder der Inhaftierung einer minderjährigen oder erwachsenen Person sowie ….

 


Ad. Art. 6 (Finanzierung) und Art. 7 (Organisation)

a. Finanzierung

Art. 6 Abs. 4 hält fest, dass die Kommissionsmitglieder Anspruch auf „Ersatz ihrer Auslagen“ haben; der „Bundesrat regelt den Anspruch auf Entschädigung“. Laut Begleitbericht sind unter Auslagen lediglich die Spesen der Mitglieder sowie die Ausgaben für ExpertInnen, Dol-metscherInnen und die Publikation des Jahresberichts zu verstehen.

Der Begleitbericht des EJPD spricht von „etwa 20“ budgetierten Arbeitstagen und zwei Plenarsitzungen pro Jahr, wobei der Bund sämtliche Kosten tragen wird. Der Bericht hält dazu einsilbig fest, dass der Bundesrat die Frage der Entschädigung später entscheiden werde. Dabei werde er regeln, ob die Mitglieder der Kommission überhaupt eine Entschädigung erhalten, und wenn ja, deren Höhe festlegen.
Wir erlauben uns dazu folgende Bemerkung:
Die Regelung der Finanzierung war in der Arbeitsgruppe vermutlich stark umstritten; ihr haftet unverkennbar der Geruch einer „Sparübung“ an.

Die Kommission wird wichtige Aufgaben im Bereich der Folterprävention übernehmen. Es ist unerlässlich, dass erfahrene, qualifizierte Personen in diesem Organ Einsitz nehmen. Diese Personen, die ja laut Art. 4 „unabhängig und persönlich tätig“ sein müssen, sollten für ihren Aufwand angemessen entschädigt werden. Dies aus zwei Gründen: Wie bei allen ehrenamtlichen Tätigkeiten besteht zum einen die Gefahr, dass hoch qualifizierte Personen von der Übernahme des Amts absehen. Zum anderen bestimmt die Kommission selber, wann und wie viele Besuche sie vornimmt, wie umfangreich der Bericht ausfällt oder wie zahlreich ihre Empfehlungen und Stellungnahmen sein sollen. Ohne entsprechende Entschädigung werden sich die Mitglieder über ein notwendiges Minimum hinaus keinen Aufwand leisten können bzw. wollen. Gerade bei einem Gremium, das die Anzahl seiner Aktivitäten selber bestimmt und das Kontroll- und Monitoringaufgaben wahrnehmen muss, ist dies nicht sinnvoll.

Der Grundsatz der angemessenen Entschädigung ist daher im Gesetz selber festzuhalten.

Wir schlagen vor, dass Art. 6 Abs. 4 durch folgenden Wortlaut ersetzt wird:
4 „Die Kommissionsmitglieder werden für ihren Aufwand [im Rahmen des Budgets] entschädigt. Sie haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen. Der Bundesrat regelt die Höhe der Entschädigung.“


b. Sekretariat

Ebenfalls unerlässlich für die effiziente, wirkungsorientierte Tätigkeit der Kommission ist ein professionell geführtes Kommissionssekretariat, welches die Arbeit der Kommissionsmitglieder koordiniert, Sitzungen und Besuche vorbereitet und alle weiteren damit zusammenhängenden Arbeiten erledigt. Der Gesetzesentwurf erwähnt das Sekretariat nicht. Der Begleitbericht spricht zwar von einem Sekretariat im Zusammenhang mit den Kompetenzen des Präsidenten oder der Präsidentin, äussert sich aber nicht zur Finanzierung. Offenbar soll es nicht unter die in Art. 6 Abs. 4 erwähnten „Auslagen“ fallen (vgl. die Ausführungen im Begleitbericht, S. 10). Es stellt sich somit die Frage, wie dieses Sekretariat zu finanzieren ist ? 

Damit aus dem Gesetz klar hervorgeht, dass im Rahmen des Budgets auch die Kosten eines Sekretariats zu bestreiten sind, könnte Art. 7 wie folgt ergänzt werden:
1 (…)
2 Sie regelt ihre Organisation und ihre Arbeitsmethoden in einer Geschäftsordnung. Ihre Geschäfte werden von einem Sekretariat vorbereitet und koordiniert.
3 (…)
 
Ad. Art. 8 (Zuständigkeiten)

a. Unangemeldete Besuche

Art. 8 regelt die Befugnisse der Kommission bei Besuchen von Einrichtungen des Freiheitsentzugs. Wie APT (Association pour la Prévention Contre la Torture) wiederholt betont hat, sollten nationale Kontrollkommissionen auch unangemeldete Besuche durchführen können. In ihrem Bericht zur Umsetzung von OPCAT in Staaten mit föderalistischer Struktur hat sich APT mit der Schweizer Lösung auseinandergesetzt und festgehalten, dass das Konzept des „freien Zugangs“ auch „surprise visits“ (unangemeldete Besuche) beinhalten soll. 

Um dies auf Gesetzesstufe zu verdeutlichen, schlagen wir eine entsprechende Ergänzung von Abs. 2 vor:
2 „Sie hat Zugang zu allen Orten des Freiheitsentzugs und deren Anlagen und Einrichtungen. Sie kann diese Orte auch unangemeldet aufsuchen, sofern dies erforderlich erscheint.“


b. Immunität von Auskunftspersonen

Art. 21 OPCAT schreibt vor, dass gegen Auskunftspersonen  keine Sanktionen erhoben werden dürfen:

„Art. 21. Behörden oder Amtsträger dürfen gegen eine Person oder Organisation wegen Erteilung von Auskünften an die nationalen Präventionsmechanismen, unabhängig davon, ob die Auskünfte richtig oder falsch sind, keinerlei Sanktionen anordnen, anwenden, erlauben oder dulden; eine derartige Person oder Organisation darf auch sonst in keiner Weise benachteiligt werden.“

Dieser Artikel, der eine absolute (straf- und zivilrechtliche) Immunität im Zusammenhang mit allen Auskünften an die Kommission statuiert, sollte — auch wenn er direkt anwendbar sein dürfte — auf Gesetzesstufe verankert werden. Die Immunität gilt selbstverständlich nur für Informationen, die eine Person gegenüber der Kommission äussert (nicht aber für Äusserungen in der Öffentlichkeit).

Wir schlagen vor, Art. 8 entsprechend zu erweitern:

4 „Eine Person darf wegen Auskünften, die sie der Kommission erteilt, keine Nachteile erleiden. Sie darf dafür rechtlich nicht belangt werden.“

 

3. Bemerkungen zur französischen Version des Gesetzesentwurfs

Unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie haben uns auf folgende Ungenauigkeiten bei der Übersetzung hingewiesen:

Art. 2 (korrekt übersetzt)
La commission a les tâches suivantes :
a. elle examine régulièrement la situation des personnes qui sont privées de liberté sur ordre ou avec le consentement exprès ou tacite d’une autorité compétente, et elle inspecte ….

Art. 3 Privation de liberté (korrekt übersetzt)

…. N’est pas autorisée à sortir à son gré, ordonné par une autorité judiciaire, administrative ou toute autre autorité compétente.

Der im Vorentwurf verwendete Begriff „autorité public“ ist unpräzise. Die Bezeichnung „autorité compétente“ trifft die Sachlage besser, da die gesetzlich geregelte Zuständigkeit ausschlaggebend sein muss. So entscheiden beispielsweise auch freiberufliche Ärzte über die Einweisung einer Patientin oder eines Patienten in den fürsorgerischen Freiheitsentzug.

Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung unserer Anregungen und verbleiben mit freundlichen Grüssen

 

Catherine Weber
Geschäftsführerin DJS