11. Februar 2022

Der kantonale Sicherheitsdirektor, Regierungsrat Philippe Müller, legt in seiner Reaktion auf den Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung der Folter (NKVF) über die Berner «Rückkehrzentren» ein höchst fragwürdiges Rechtsstaatsverständnis an den Tag und wirft der NKVF zu Unrecht vor, eine politische Bewertung vorgenommen zu haben.

Zunächst verkennt der Sicherheitsdirektor, dass menschenrechtliche Ansprüche unabhängig davon bestehen, ob eine Person in der Schweiz rechtmässig anwesend ist. Die Menschenrechte schränken mithin den Staat ein, Menschen für ihre blosse Anwesenheit zu sanktionieren. Die Nothilfe soll Menschen schützen; sie als Druckmittel zu verwenden widerspricht ihrem Sinn und Zweck. Diesen rechtlichen Schranken und Vorgaben muss sich auch die Berner Sicherheitsdirektion fügen.

Der Verweis auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Kanton angeblich zu einem harschen Nothilferegime verpflichteten, vermag deshalb die Kritik der NKVF nicht zu entkräften. Vielmehr sind die Behörden gehalten, einen menschenrechtskonformen Weg innerhalb dieses Rahmens zu suchen und den Handlungsspielraum im Interesse der Betroffenen zu nutzen. Dass ein solcher besteht, wird denn auch seitens Sicherheitsdirektion selbst eingeräumt.

Die Unterbringung von Nothilfebeziehenden liegt in der Verantwortung des Kantons. Von dieser Verantwortung kann sich die Sicherheitsdirektion weder durch Vorwürfe an die Gemeinden noch durch Berufung auf einen angeblichen politischen Konsens entledigen.

Mit seiner Argumentation bezieht sich der Sicherheitsdirektor offensichtlich selbst nicht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen. Unter Verweis auf politische Umstände wird von grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen abgelenkt.

Schliesslich wird den von Nothilfe betroffenen Menschen die Fähigkeit abgesprochen, ihre eigene Situation und insbesondere die Gefährdungslage im Herkunftsland adäquat einzuschätzen und dementsprechend selbst zu handeln. Das zeigt sich auch an der Instrumentalisierungskritik des Sicherheitsdirektors gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich mit den Betroffenen für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände einsetzen. Mit dem Absprechen von selbstständigem Beurteilen und Handeln werden rassistische Stereotype bedient.

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern fordern die zuständigen Behörden auf, die Empfehlungen der NKVF mit der angezeigten Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit umzusetzen. Die faktische Unmöglichkeit einer Rückkehr – wie sie beispielsweise bei Afghan*innen augenfällig ist – ist anzuerkennen. Eine menschenrechtskonforme Unterbringung ist dringend zu gewährleisten und Zukunftsperspektiven sind zu schaffen.