Beschwerden

Neun Organisationen, darunter federführend die Grün alternative Partei, weiter die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern, die GSoA sowie diverse Parteien und eine Einzelperson reichen dem Bundesgericht ihre Beschwerde gegen das faktische Kundgebungsverbot im Kanton Bern ein.

Der Regierungsrat hat am 18.12.2020 die Covid-19 V (Verordnung) erlassen, die in Art. 6a die Anzahl Teilnehmenden von Kundgebungen auf 15 Personen begrenzt. Inzwischen wurde die ursprünglich befristete Beschränkung drei Mal verlängert und soll nun bis zum 30.04.2021 gelten. Der Bundesrat hingegen nimmt in seiner Covid-19-Verordnung besondere Lage zivilgesellschaftliche und politische Kundgebungen explizit aus der Beschränkung der Anzahl Teilnehmenden an Veranstaltungen im Freien auf 15 Personen aus und lässt eine Maskentragpflicht für die Teilnehmenden von Kundgebungen genügen. Da der Bundesrat den Gegenstand Kundgebungen ausschliesslich und erschöpfend regelt, ist die kantonale Beschränkung der Anzahl von Teilnehmenden nichtig, was bedeutet, dass sie nicht zur Anwendung kommen kann. Der Regierungsrat kann sich für seine schärferen Massnahmen auch nicht auf die besonderen Kompetenzen der Kantone (Art. 8 Abs 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage) stützen, er müsste dafür das Vorliegen einer schwierigen epidemiologischen Lage im Kanton Bern darlegen. Er hielt sich aber beim Erlass sowie bei den Verlängerungen der Beschränkungen allgemein und machte bloss ein mögliches Risiko einer Gefährdung durch die Kundgebungen und Vollzugsgründe geltend.
 
Weiter verstösst die kantonale Beschränkung der Anzahl Teilnehmenden von Kundgebungen, die ein faktisches Kundgebungsverbot ist, gegen die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemäss Art. 16 und 22 der Bundesverfassung und gegen die Kundgebungsfreiheit nach Art. 19 der Kantonsverfassung. Für eine solche Beschränkung, bräuchte es eine Regelung in einem Gesetz im formellen Sinn, eine Regelung auf Verordnungsstufe ist nicht ausreichend. Zudem ist die Beschränkung nicht im öffentlichen Interesse, da der Schutz der öffentlichen Gesundheit durch Kundgebungen mit Maskentragpflicht nicht beeinträchtigt wird. Die Beschränkung ist auch nicht verhältnismässig, da Kundgebungen in einem demokratischen Staat eine wichtige und grundlegende Funktion erfüllen:
 
«Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (ist) für eine demokratische Gesellschaft zentral und Kundgebungen (sind) oftmals die einzige Möglichkeit, gerade für marginalisierte Gruppen, ein bisher vernachlässigtes Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Bisher gibt es keinen Vorgang, der diese Funktion ersetzen konnte, auch nicht meinungsbildende Beiträge in den sozialen Medien. Sie entfalten nicht die gleichen Wirkungen, da die Anliegen von denjenigen, die die Beiträge nicht lesen möchten, ignoriert werden können. Diese Beiträge haben keine Apellwirkung.
 
Auch in einer gesellschaftlichen Lage wie der jetzigen sind Kundgebungen, wie beispielsweise der Klimastreik am 19. März 2021, wichtig und legen den Grundstein für einen pluralistischen Diskurs, der wiederum Grundlage der demokratischen Meinungsbildung ist. Die verschiedenen Meinungen müssen gehört und aufgenommen werden, dies führt zu besseren Entscheidungen. Kundgebungen müssen zudem zeitnah zu Ereignissen erfolgen können, sie können nicht verschoben werden. Als Einschränkung ist nur die Einhaltung der Maskentragpflicht zulässig.»

Die Beschwerde finden Sie hier.

Das Bundesgericht hat in der heutigen öffentlichen Urteilsberatung die Beschwerde gegen das Luzerner Polizeigesetz teilweise gutgeheissen. Damit müssen die Luzerner Regierung und der Kantonsrat nach 6jähriger Gesetzgebungsbemühungen erneut über die Bücher.

Gemäss Bundesgericht ist die vorgesehene Verteilung der Polizeikosten auf die Kundgebungsteilnehmer verfassungswidrig, es hebt daher § 32b des Polizeigesetzes teilweise auf. Hinsichtlich der Kostenüberwälzung auf Veranstalter teilt das Bundesgericht die Bedenken der Beschwerdeführer, erachtet aber eine Aufhebung der entsprechenden Bestimmung indes nicht für erforderlich, da eine verfassungskonforme Anwendung in den Händen der Behörden liege und daher nicht a priori unmöglich sei.

Die Beschwerdeführer nehmen letzteres mit Besorgnis zur Kenntnis. Die geltend gemachte abschreckende Wirkung („chilling effect“) bezieht sich gerade auf im Voraus bestehende Ängste aufgrund drohender Kostenüberwälzung, die entsprechenden Befürchtungen können daher nicht mit dem Verweis auf die konkrete Gesetzesanwendung aus dem Wege geräumt werden. Der Abschreckungseffekt setzt bereits mit der abstrakten Gesetzesnorm an sich ein. Die aktuelle Entwicklung seit Inkrafttreten des Gesetzes bestätigt dies, zumal sich für traditionell alljährlich stattfinde Kundgebungen keine Gesuchsteller mehr finden lassen.

Der heutige Entscheid ist für den Kanton Bern von grosser Relevanz, schlug doch der Regierungsrat in der Vernehmlassung zum neuen Polizeigesetz des Kantons Bern vor, die Luzerner-Regelung 1:1 zu übernehmen.


Das schriftliche Urteil zur Beschwerde gegen das teilrevidierte Sozialhilfegesetz liegt nun vor. Ihr findet das Urteil hier


Mit Verfügung vom 19. Januar 2012 hat das Bundesgericht beschlossen, der SHG-Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Sozialhilfebezügerinnen und Soziahilfebezüger könnten allerdings im Einzelfall die aufschiebende Wirkung verlangen.

Verfügung vom 19. Januar 2012


AvenirSocial (Soziale Arbeit Schweiz), die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (djb), das Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen (KABBA), die Partei der Arbeit des Kantons Bern (PdA) sowie die Grüne Partei Bern (GPB-DA) legen Beschwerde beim Bundesgericht gegen das teilrevidierte Sozialhilfegesetz des Kantons Bern (SHG) ein.
Die beschwerdeführenden Parteien werden die neuen Gesetzesbestimmungen zu den Generalvollmachten und den Auskunftspflichten von Privatpersonen auf ihre Verfassungsmässigkeit durch das Bundesgericht überprüfen lassen. Alle Menschen haben Anspruch auf den gleichen Datenschutz.

Ihr findet die anonymisierte Beschwerde hier.