Trotzdem habe es die Schweiz bisher versäumt, den ärmeren Ländern neue Abkommen mit erweiterter Amtshilfe gegen die internationale Steuerhinterziehung anzubieten. Alliance Sud fordere von der Schweiz deshalb rasche Abhilfe. Ein sinnvolles Lösungspaket sollte im Minimum den Abschluss einfacher Steuerinformationsabkommen (TIEA: Tax Information Exchange Agreements) und die Ausdehnung des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU auf Entwicklungsländer umfassen. In der anschliessenden Diskussion betonte Susanne Leutenegger Oberholzer, dass auch die mit Grossbritannien und Deutschland vorgesehene Abgeltungsteuer auf die Entwicklungsländer übertragen werden könnte. Sie würde rasch zur Rückführung verlorener Steuermillionen führen. Zudem hätten die beiden europäischen Staaten eine erleichterte Form der internationalen Amtshilfe gefordert, die nahezu gleich viel Transparenz in internationalen Steuerfragen bringen würde wie der automatische Informationsaustausch.
(Kasten)
Alliance Sud ist die gemeinsame entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks. Sie setzt sich für eine kohärente Politik der Schweiz gegenüber den armen Ländern ein. Arbeitsschwerpunkte sind die Entwicklungszusammenarbeit, der Finanzplatz und die internationale Steuerpolitik, die Handelspolitik sowie die Umwelt- und Klimapolitik der Schweiz.
http://www.alliancesud.ch

Bruno Gurtner, Präsident Tax Justice Network,  befasste sich in einem zweiten Referat vorerst  mit dem schwelenden Steuerstreit zwischen der EU und der Schweiz hinsichtlich kantonaler Steuerprivilegien für Holding-, Verwaltungs-, Domizil- und gemischte Gesellschaften. Diese bevorzugte Besteuerung von konzerninternen Erträgen wie Dividenden, Zinsen, Lizenzen wirken sehr attraktiv. Zahlreiche ausländische Konzerne verlegten ihre Holdings in die Schweiz. Dadurch entgehen dem Ausland beträchtliche Steuereinnahmen. Der Bundesrat will nun zumindest die umstrittenen „Briefkastenfirmen“ abschaffen. Die EU möchte, dass die Schweiz ihren Verhaltenskodex zur Unternehmungsbesteuerung übernimmt, also keine ungerechtfertigte Beeinflussung der Standortwahl der Konzerne mit Steuerprivilegien vornimmt. Gurtner findet, die Schweiz würde einen Reputationsgewinn erzielen, wenn sie solche international gültige Steuergrundsätze akzeptieren würde.

In einem zweiten Teil beschrieb der Referent die Missbräuche international tätiger Konzerne mit ihren internen Verrechnungspreisen (Transfer Mispricing). Solche falsche Über- oder Unterfakturierung haben eine Verschiebung von Gewinnen in steuergünstige Länder zur Folge. Gerade Entwicklungsländern entgehen dadurch Milliarden an Steuererträgen. Abhilfe könnte eine Pflicht zur detaillierten, länderweise Rechnungslegung (country-by-country-Reporting) bringen. Multis sollten als Ganzes besteuert werden. Die Steuererträge sollten dann auf die Länder mittels  einer Formel aufgeteilt werden, welche Umsatz, Gewinne, Löhne und Kapital in den einzelnen Ländern berücksichtigt.


Das Tax Justice Network (TJN) ist ein internationales Netzwerk von Organisationen und Einzelpersonen aus über 60 Ländern. Das TJN kämpft mittels Lobbyarbeit und mit Kampagnen gegen die internationale Steuerhinterziehung und die Kapitalflucht. Das Netzwerk setzt sich für Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten ein.  Das TJN  lehnt Geheimhaltungspraktiken, Schlupflöcher und Verzerrungen bei Besteuerung und Regulierung  ab.  Es unterstützen faire Spielregeln im Steuerbereich.
http://www.taxjustice.net
http://taxjustice.blogspot.com/