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16. April 2024

Mykonos 3

Human Rights Legal Project
 
Am 16. Juni 2022 verliessen H, B. und K mit einem Segelschiff die Türkei. Nach zwei Tagen auf See riss das Segel und das Boot begann zu treiben. Als die Küstenwache eintraf, versuchten diese das Schiff abzuschleppen und steuerte es in Richtung der Insel "Agios Georgios Baos". Das Seil riss und das Segelboot trieb wieder ab. Es lief in einem felsigen Gebiet auf der Insel "Agios Georgios Baos" auf Grund und zerbrach in zwei Teile. Am 20. Juni 2022 wurden H., B. und K. verhaftet.
 

Geschehnisse

H. und B. verliessen Syrien wegen des Krieges; sie wollten nicht zur Armee eingezogen werden. H. war Student in Syrien; er hat eine Familie und zwei Kinder. Seine Absicht war es, in die Europäische Union zu reisen, um über Italien zu seinem Bruder nach Dänemark zu kommen. B. war ebenfalls Student in Syrien und befand sich im dritten Jahr seines Jurastudiums. Er hoffte, die Niederlande erreichen zu können, um dort zu arbeiten und seiner Familie Geld zu schicken. K. verliess Ägypten wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen.
 
Die drei bezahlten einen Schmuggler, der sie zusammen mit 116 anderen Passagieren nach Italien bringen sollte. Die Gruppe verliess die Türkei am 16. Juni 2022. Nach zwei Tagen auf See riss das Segel und das Boot begann zu treiben. Kein Schiff, das in der Nähe war, rettete das Segelboot. Um 1.00 Uhr morgens traf schliesslich die Küstenwache ein, die von den Menschen an Bord alarmiert worden war. Sie begannen, das Schiff abzuschleppen und steuerten es in Richtung der Insel "Agios Georgios Baos", aber das Seil riss, und das Segelboot trieb wieder ab. Es lief in einem felsigen Gebiet auf der Insel "Agios Georgios Baos" auf Grund und zerbrach in zwei Teile. An der Rettungsaktion der Gruppe waren drei Patrouillenboote, schwimmende Schlepper, private Boote und ein Flugzeug beteiligt.  Keiner der Überlebenden hatte eine Schwimmweste, und das Segelboot verfügte über keinerlei Rettungsausrüstung. 108 Personen wurden gerettet, 8 Personen ertranken, darunter 3 Kinder. In ihrer Zeugenaussage konnten die Küstenwachen nicht erklären, warum sie das Segelschiff abschleppten und in Richtung Ost-Nord steuerten, anstatt die Gruppe zu retten und in einen sicheren Hafen zu bringen. Wir vermuten, dass die Küstenwache versucht hat, die Gruppe in die Türkei zurückzudrängen.

Am 20. Juni 2022 wurden H, B und K verhaftet. Es ist anzumerken, dass der eigentliche Kapitän des Schiffes von den anderen Passagieren und seinem Assistenten beim Namen genannt wurde. Es wurde jedoch kein Versuch unternommen, diesen ausfindig zu machen. Die Angeklagten werden seit Juni 2022 auf der Grundlage eines vorläufigen Haftbefehls im Gefängnis von Chios festgehalten.

Verfahren

Die Angeklagten werden gemäss Artikel 30 Absatz 1 d) des Gesetzes 4251/2014 (Anti-Immigrationsgesetz) angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, für Geld, illegale Transporte von Drittstaatsangehörigen nach Griechenland unter gefährlichen Bedingungen durchgeführt zu haben, was zum Tod von 8 Personen führte. Nach dem Gesetz 4251/2014 Absatz 1 drohen den Angeklagten lebenslange Haftstrafen und eine Geldstrafe von mindestens 700.000 Euro für jede transportierte Person an Bord. Da in diesem Fall 8 Menschen starben, drohten den Angeklagten bis zu 115 lebenslange Haftstrafen.

Der Fall wurde am 15. Dezember 2022 in erster Instanz vor dem Ägäischen Berufungsgericht in Syros verhandelt. Während des Prozesses machten die Anwälte vom Human Rights Legal Project einen Antrag auf Änderung der Anklage. Sie argumentierten es läge nicht der Tatbestand von einem «Transport, von dem eine Gefahr für einen Menschen ausgehen könnte und bei dem es zu einem Todesfall kam», sondern der die Strafbestimmung von Art. 29 Absatz 5 vor, wonach «wer Drittstaatsangehörigen, die kein Recht auf Einreise haben, die Einreise erleichtert, ohne sich der Kontrolle der oben genannten Vorschrift zu unterziehen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren bestraft wird». Auf der Grundlage dieser Argumentation und der Annahme eines mildernden Umstands erliess das Gericht sein Urteil Nr. 77/2022 und verurteilte jeden der Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat.

Die Angeklagten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, deren Anhörung für den 8. Februar 2024 vor dem Berufungsgericht angesetzt war. Die Anwälte von Human Rights Legal Project hoffen auf einen Freispruch oder eine Strafminderung in der Berufung und damit auf die Freilassung der Angeklagten, indem sie einen weiteren mildernden Umstand geltend machen, der auf ihrer Unschuld und ihrem guten Verhalten in der Haft beruht.

Artikel aus den lokalen Medien über den Schiffbruch: https://cyclades24.gr/2022/06/mykonos-sillipseis-diakiniton-laurio/
 

Unterstützung durch den PBLF

Übernahme der Gerichtsgebühren. Der Fall wurde zudem vom Sea Watch Legal Aid Fund finanziell unterstützt.