Änderung der Asylverordnung 3 und der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen - Auswertung elektronischer Datenträger von Asylsuchenden
hier finden Sie die eingereichte Vernehmlassung als pdf
Die DJS hat zusammen mit Solidarité sans frontières und AvenirSocial bereits während der Vernehmlassung auf Gesetzesstufe sowie während den Debatten im Parlament deutlich gemacht, dass sie die Auswertung von elektronischen Datenträgern von Asylsuchenden ablehnt.
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in zahlreichen nationalen und internationalen Gesetzen und Verträgen verankert. Es handelt sich dabei um das Recht jeder Person, selbst zu bestimmen, welche auf sie bezogenen Informationen und Daten sie auch preisgeben möchte und zu welchen Zwecken diese weitergegeben und genutzt oder bearbeitet werden können. Es schützt die persönliche Integrität und die Freiheit der Gedanken, Meinungen und Überzeugungen. Es schützt somit die persönliche Integrität, die Privatsphäre und die Freiheit der Gedanken, Meinungen und Überzeugungen.
Die Auswertung von Handys und anderen Datenträgern von Asylsuchenden stellt jedoch angesichts der umfangreichen, oft sehr intimen Daten, einen massiven Eingriff in dieses Recht dar. Denn dabei werden nicht nur persönliche Daten wie Kontakte, Nachrichten und Fotos erfasst, sondern auch politische Überzeugungen, religiöse Ansichten und andere private Informationen. Zwar wird durch die Vorlage die für einen Eingriff in ein Grundrecht erforderliche gesetzliche Grundlage geschaffen. Ein solcher Eingriff muss allerdings einen legitimen Zweck bzw. ein gewichtiges öffentliches Interesse verfolgen und geeignet und erforderlich sein. Die Bestimmungen der vorgelegten Fassung reichen aus Sicht der DJS nicht aus für eine grundrechts- und datenschutzkonforme Umsetzung. Die Verordnungsbestimmungen tragen dem Umstand, dass es sich um einen schweren Eingriff in das Recht auf Schutz der Privatsphäre handelt, zu wenig Rechnung. Sie listen insbesondere zu wenig detailliert auf, wie die Verhältnismässigkeit im Einzelfall sichergestellt wird. Auf die Wichtigkeit der Einhaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips hat auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 2021 mehrfach hingewiesen.
Aus Sicht der DJS sind daher aufgrund der gravierenden Lücken substanzielle Verbesserungen am Vorentwurf erforderlich, die mit der vorliegenden Stellungnahme vorgeschlagen werden.
- Die Verordnungsbestimmungen berücksichtigen unzureichend, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Schutz der Privatsphäre handelt. Es ist unerlässlich, dass die Verordnung eindeutig festlegt, dass die Auswertung von Datenträgern einzig als letztes Mittel angewendet werden darf d.h. nur dann, wenn nachgewiesen wurde, dass keine anderen weniger einschneidende Massnahmen für die betroffene Person zur Verfügung stehen. Dies bedeutet, dass die Behörden z.Bsp. zuerst Abklärungen mit anderen Behörden sowie im Herkunftsland machen und die Person in Anwesenheit der Rechtsvertretung ausführlich befragen müssen. Erst im Verlauf des Verfahrens, wenn alle anderen Massnahmen ausgeschöpft wurden und die Abklärung der Identität nicht anderswertig festgestellt werden konnte, darf die Auswertung von Datenträgern als ultima ratio angeordnet werden. Nie darf die Auswertung bereits zu Beginn des Asylverfahrens angeordnet werden, oder wenn andere oder weitere Abklärungen noch in Gange sind.
- In Bezug auf das Auswertungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Asylsuchenden laut Verordnungsentwurf weniger Verfahrensgarantien erhalten sollen als Beschuldigte in einem Strafverfahren. Insbesondere haben die Asylsuchenden praktisch keine Möglichkeit, sich gegen diesen Eingriff zu wehren. Es ist daher unerlässlich, dass, sowohl während der allfälligen Vortriage und der Zwischenspeicherung als auch während der Auswertung an sich, die asylsuchende Person sowie deren Rechtsvertretung und eine dolmetschende Person zwingend anwesend sind und für die Rechtsvertretungen die erforderlichen Kapazitäten geschaffen werden. Im Verordnungstext ist nicht ersichtlich in welchen Fällen eine Zwischenspeicherung erfolgen soll. Dies ist zwingend zu präzisieren. In keinem Fall darf diese Möglichkeit einer Vorratsdatenspeicherung gleichkommen um vorsorglich Daten zwischenzuspeichern, während noch mildere Massnahmen möglich wären oder noch Abklärungen am Laufen sind. Es ist daher von einer solchen Möglichkeit einer Zwischenspeicherung vollständig abzusehen, eventualiter die Verordnungsbestimmung so zu präzisieren, dass klar wird, in welchen Fällen eine solche Zwischenspeicherung erfolgen kann.
- Der Verordnungsentwurf läuft zudem diversen datenschutzrechtlichen Grundsätzen wie der Zweckangemessenheit und Datenminimierung aber auch der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Datenverarbeitung. Die vorgeschlagene Regelung erfüllt die Anforderungen des neuen Datenschutzgesetzes nicht, auf welches zwingend verwiesen werden muss. So sind einerseits die auszuwertenden Daten lediglich auf die relevanten Daten einzugrenzen und Ton- und Bildaufnahmen angesichts der Tatsache, dass dies in vielen Fällen auch Daten von Drittpersonen betrifft und ein grosser Teil davon für das Asylverfahren nicht relevant ist, sind aus dem Katalog der möglichen auszuwertenden Daten zu streichen. Andererseits ist nicht klar, wie bei der Auswertung der Daten mittels Software im Sinne einer Vortriage sichergestellt werden soll, dass nur die relevanten Daten und zudem keine Personendaten von Drittpersonen bearbeitet werden; eine gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung von allenfalls auch besonders schützenswerten Personendaten Dritter ist gemäss nArt. 8a Abs. 2 AsylG nur für den Fall vorhanden, dass die Bearbeitung von Personendaten der asylsuchenden Person nicht ausreicht, um das Ziel zu erreichen. Diese Voraussetzung ist bei einer Vortriage nie erfüllt. Zudem sind die zugriffsberechtigten Personen in E-Art. 10b AsylV 3 zu wenig detailliert ausgeführt. Mit der Regelung auf Weisungsstufe werden die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht erfüllt.
- Angesichts der Tatsache, dass die Auswertung der Datenträger integraler Bestandteil der Mitwirkungspflicht ist, sind die asylsuchenden Personen ausreichend d.h. in Anwesenheit einer dolmetschenden Person und mit der Möglichkeit von Rückfragen über die Massnahme zu informieren. Bei einer Verweigerung der Aushändigung der Datenträger müssen die Gründe der Verweigerung geprüft und angemessen berücksichtigt werden, damit der Gefahr der Ableitung von potentiellen Nachteilen entgegengewirkt werden kann.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ausreichende Abklärungen und Erläuterungen sowie eine hinreichende Risiko- und Folgenabschätzung, wie den verschiedenen Problemen und Fragen hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit, Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre, Verhältnismässigkeit und Datenschutz tatsächlich Rechnung getragen werden soll, fehlen. Aus Sicht der DJS sind daher aufgrund der gravierenden Lücken substanzielle Verbesserungen am Vorentwurf erforderlich.
Für die detaillierte Stellungnahme an dem Verordnungsentwurf und den konkreten Anträgen betreffend den einzelnen Verordnungsartikeln verweist die DJS auf die Vernehmlassungsschrift der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.