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15. September 2023

Änderung des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Leistungsschutzrecht für journalistische Veröffentlichungen)

hier finden Sie die eingereichte Vernehmlassung als pdf

1. Allgemeine Vorbemerkung

Der Gesetzesvorschlag bezweckt eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes und ist mit dem Sachbegriff "Leistungsschutzrecht für journalistische Veröffentlichungen" überschrieben. Beides erscheint als äusserst problematisch. Zum einen sieht der Gesetzesentwurf gar kein Leistungsschutzrecht vor, sondern statuiert lediglich einen Vergütungsanspruch zugunsten bestimmter, nicht weiter definierter "Medienunternehmen". Zum andern knüpft dieser Vergütungsanspruch entgegen der Überschrift nicht an die Veröffentlichung journalistischer Inhalte an, sondern an die Verlinkung auf bereits früher veröffentlichte journalistische Inhalte, bei denen es sich darüber hinaus nicht einmal um urheberrechtlich geschützte Werke handeln muss. Zum dritten erbringen die gemäss Gesetzesentwurf am Anspruch Berechtigten, also die Medienunternehmen, keine urheberrechtlich oder durch ein verwandtes Schutzrecht geschützte Leistung, weshalb ein Bezug zum Urheberrechtsgesetz fehlt.

Aus all diesen Gründen halten wir den Gesetzesentwurf schon in seiner Grundstruktur für verfehlt. Der Begriff "Leistungsschutzrecht für journalistische Veröffentlichungen" ist sachfremd und irreführend. Ebenso ist die Verankerung dieses Vergütungsanspruchs im Urheberrechtsgesetz sachlich nicht begründet. Die Änderung ist nicht zuletzt auch inkompatibel mit der Systematik und mit zahlreichen Einzelbestimmungen dieses Gesetzes und wird daher unweigerlich zu einer Vielzahl von Unklarheiten und Widersprüchen führen.

Das Gesetzesvorhaben knüpft erklärtermassen an die Regelung der EU zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage an und will - zu Recht - eine Alternative zu dieser völlig missglückten und nicht praxistauglichen Bestimmung entwickeln. Allerdings macht dieser Versuch aus Sicht der Demokratischen Jurist*innen der Schweiz keinen Sinn. Zum einen ist das Leistungsschutzrecht für Presseverlage schon aus medienpolitischen Überlegungen nicht hilfreich. Zum andern müsste eine Regelung im Urheberrecht an die dieses Rechtsgebiet strukturierende Systematik anknüpfen. Wir werden das sogleich näher ausführen.

2. Kein Gesetzgebungsbedarf

Ausgangspunkt der Regelung sowohl in der EU als auch des bundesrätlichen Gesetzesvorschlags ist die Überlegung, dass Online-Dienste journalistische Inhalte von Medien nutzen und diese kommerzialisieren. Es werde eine Leistung, die Medienunternehmen auf eigene Kosten erbringen, durch Plattformen und andere Social Media kostenlos genutzt und gewinnbringend vermarktet. Frau Bundesrätin Keller-Sutter sprach sogar von "Radfahren mit gestohlenen Velos".

Schon dieser Ausgangspunkt verkennt die Realität. Die Plattformen nutzen keine journalistischen Inhalte, sondern sie weisen auf diese hin. Diese Tätigkeit ist für die Medien von enormem Nutzen, weil sie ihre Reichweite massiv erhöht. Ohne Snippets wäre die Sichtbarkeit vor allem von kleineren und mittleren Medien deutlich schlechter. Das zeigte sich  nicht zuletzt bei den vor Erlass der EU-Richtlinie in Deutschland und Spanien durchgeführten Versuchen, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen: Die Plattformen konnten auf dieses Snippet-Angebot ohne weiteres verzichten, nicht aber die Presseverlage. Nachdem insbesondere Google die Verlinkung auf spanische und später auch auf deutsche Presseerzeugnisse eingestellt hatte, brach deren Reichweite und damit auch ihr Werbeaufkommen in kürzester Frist massiv ein. Sie verzichteten daher sofort auf die Geltendmachung dieses Leistungsschutzrechts, das überall toter Buchstabe blieb.

Die Medienunternehmen wären ohne weiteres in der Lage, die Verlinkung auf ihre Inhalte zu verhindern. Es genügt dafür eine einfache maschinenlesbare Kennzeichnung. Kein einziges Medium macht davon Gebrauch, weil sich eben alle der Reichweite fördernden Wirkung dieser Verlinkung bewusst sind. Der den Vernehmlassungsunterlagen beigefügte Bericht über die Regulierungsfolgenabschätzung kommt zum genau gleichen Ergebnis.

Es kommt dazu, dass die Plattformen und Social Media diese journalistischen Inhalte gar nicht im urheberrechtlichen Sinne nutzen, sondern nur auf diese Inhalte verweisen. Sie fahren also gar nicht Rad, sondern sie geben Hinweise darauf, wo Interessierte ein Fahrrad erwerben oder mieten können. Im Falle journalistischer Inhalte tragen sie auf diese Weise in durchaus relevanter Weise zum öffentlichen Diskurs und damit auch zur demokratischen Meinungsbildung bei. Das liegt offensichtlich im öffentlichen Interesse. Es ist kein entgegenstehendes öffentliches Interesse ersichtlich, diese  Dienstleistung einzuschränken.

Die Verlinkung stellt darüber hinaus ganz allgemein einen wesentlichen Baustein des Internets dar. Der Europäische Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass die Setzung von Links und Hyperlinks als eine Form der Meinungsäusserung zu betrachten ist, welche für das Internet konstitutiv ist und welche nur aus gewichtigen öffentlichen Gründen und unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips eingeschränkt werden darf. Die Demokratischen Jurist*innen der Schweiz sind der Meinung, dass die Voraussetzungen für einen solchen gesetzgeberischen Eingriff in der Schweiz nicht erfüllt sind. Auf die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist daher von vorneherein zu verzichten.

3. Keine URG-konforme Regelung

Wie bereits ausgeführt, ist der bundesrätliche Gesetzesvorschlag mit der Systematik des URG nicht kompatibel. Das zeigt sich schon daran, dass in Art. 1 Abs. 1 Bst. b eine neue Kategorie von Schutzberechtigten eingeführt wird, die dann aber im Besonderen Teil des Gesetzes weder definiert noch sonstwie geregelt wird. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil diese "Medienunternehmen" keinerlei urheberrechtsrelevante Leistung erbringen, sie sind weder Urheberinnen oder  Urheber noch Berechtigte an verwandten Schutzrechten. Sie sind einfach Nutzerinnen und Nutzer von Urheberrechten wie alle übrigen Verlage auch und dadurch allenfalls Inhaberinnen und Inhaber derivativer Rechte. Einen urheberrechtlichen Grund, ihnen die Stellung von originär Berechtigten einzuräumen, gibt es nicht. Der Gesetzesentwurf tut dies auch zu Recht nicht.

Die Unvereinbarkeit mit der Gesetzessystematik hat dann auch zur Folge, dass eine ganze Reihe von Sonderbestimmungen vorgesehen werden muss. Diese sind aber nicht geeignet, die systematischen Unklarheiten auszuräumen. Zu diesen Sonderbestimmungen gehören etwa der Gegenrechtsvorbehalt in Art. 37b E-URG, die zeitliche Beschränkung des Vergütungsanspruchs in Art. 39bis E-URG, die Sonderbestimmung zur Verwendung des Verwertungserlöses in Art. 49 Abs. 2bis E-URG oder die Bestimmung über die Bemessung der Vergütung in Art. 60a E-URG, die übrigens zu einem unauflöslichen Widerspruch zur bestehenden Bestimmung von Art. 60 URG führen muss. Auf derart systemfremde Gesetzeselemente sollte im Interesse einer kohärenten und verständlichen Gesetzgebung unbedingt verzichtet werden.

4. Vorschlag einer möglichen Alternative

Wenn wider Erwarten an einer Regelung über die Verlinkung auf journalistische Inhalte festgehalten und diese im Urheberrechtsgesetz verankert werden sollte, so müsste sie zwingend am einzigen Element anknüpfen, welchem ein urheberrechtlicher Gehalt zukommt, nämlich an der Schaffung eines journalistischen Werks. Der Vergütungsanspruch müsste also den Autorinnen und Autoren zustehen, welche urheberrechtlich geschützte Werke geschaffen haben und auf deren Werke verlinkt wird. Dabei sollten weder die Urheberinnen und Urheber noch die Medienunternehmen die Möglichkeit haben, die Verlinkung zu untersagen oder von Bedingungen abhängig zu machen

Soweit diese Werke in einem Arbeitsverhältnis entstanden sind oder im Auftrag geschaffen wurden, könnte den betreffenden Medienunternehmen ein Recht auf Beteiligung an der Vergütung der Autorinnen und Autoren zugesprochen werden. Analoges ist schon im geltenden Gesetz für die Hersteller*innen von Ton- und Tonbildträgern geregelt, die an den Vergütungen für ausübende Künstlerinnen und Künstler beteiligt werden müssen (Art. 35 Abs. 2 URG).

Eine solche Regelung würde auch eine Definition des kaum abgrenzbaren Begriffs "Medienunternehmen" erübrigen: Anknüpfungspunkt wären in allen Fällen die Autorinnen und Autoren sowie deren Werke (Texte, Bilder, Töne etc.), auf welche verlinkt wird. Ist dieses Werk in einem Online-Medium (inkl. der Onlineausgaben von Printmedien und Sendeunternehmen) erschienen, so wären die betreffenden Unternehmen an der Vergütung zu beteiligen. Massgeblich für diese Aufteilung wie auch für sämtliche weiteren Verteilungsfragen wäre das jeweils geltende Verteilungsreglement der zuständigen Verwertungsgesellschaft (in der Praxis wohl der ProLitteris), in welcher die Autorinnen und Autoren organisiert sind.

Vergleichbare Regelungen, welche einen Vergütungsanspruch für eine urheberrechtlich erlaubte Werkverwendung vorsehen, gibt es im geltenden Gesetz bereits heute, so in Art. 13 URG (Vermieten von Werkexemplaren) und in Art. 13a URG (Zugänglichmachen von audiovisuellen Werkexemplaren). Es läge daher nahe, eine entsprechende Regelung als Art. 13b in das URG einzufügen. Dadurch würden auch die zahlreichen weiteren Gesetzesänderungen obsolet, die im Vorschlag des Bundesrates vorgesehen sind (inkl. des sehr problematischen Gegenrechtsvorbehalts).

Ein solcher Gegenvorschlag könnte beispielsweise - unter weitestgehender Berücksichtigung der im Bundesratsvorschlag verwendeten Terminologie -  wie folgt lauten:

Art. 13b Verlinkung auf journalistische Werke

1 Wer als Anbieterin oder Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft auf ein zugänglich gemachtes journalistisches Werk verlinkt, schuldet den Urheberinnen und Urhebern dieses Werks hierfür eine Vergütung. Der Vergütungsanspruch besteht auch dann, wenn die Verlinkung das Ergebnis einer Suchabfrage ist oder wenn die Nutzerinnen und Nutzer des Dienstes das Werk so zugänglich gemacht haben, dass Personen von Orten und Zeiten ihrer Wahl Zugang dazu haben.

2 Der Vergütungsanspruch kann nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften und nur gegenüber Anbieterinnen und Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft geltend gemacht werden, die gewinnorientiert tätig sind und die eine durchschnittliche jährliche Zahl von Nutzerinnen und Nutzern von mindestens zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung aufweisen.

5 Ist das journalistische Werk durch ein Medienunternehmen zugänglich gemacht worden, welches nach in der Branche anerkannten Regeln für die journalistische Praxis arbeitet, so ist dieses Unternehmen an der Vergütung für die Urheberin oder den Urheber angemessen zu beteiligen.

Zusätzlich wären bei einer solchen Regelung einzig noch die bereits erwähnte Ergänzung von Art. 40 URG sowie eine Übergangsbestimmung im Sinne des vorgeschlagenen Art. 83a E-URG erforderlich. Auf alle übrigen Revisionsvorschläge könnte ersatzlos verzichtet werden.

5. Ergebnis

In diesem Sinne ersuchen wir Sie, sehr geehrte Frau Bundesrätin, sehr geehrte Damen und Herren, auf das in die Vernehmlassung geschickte Gesetzesvorhaben zu verzichten. Wir halten einen Bedarf nach Gesetzgebung in diesem Bereich nicht für gegeben und beurteilen den Gesetzesvorschlag als verfehlt. Sollte doch an einer urheberrechtlichen Regelung festgehalten werden, so müsste diese im Sinne unseres Gegenvorschlags an die einzig urheberrechtlich relevante Leistungim Bereich des Journalismus, nämlich an die Schaffung journalistischer Werke, anknüpfen.