Am 7. März 2021 kommt die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» zur Abstimmung. Lanciert wurde sie vom Egerkinger Komitee um SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Die Initiant_innen argumentieren, sie wollten die Sicherheit der Bevölkerung im Allgemeinen und muslimische Frauen im Besonderen schützen. Die Vorlage ist diskriminierend und schränkt die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit ein. Die DJS lehnen sie ab. 

Die Volksinitiative trifft alle Personen, die in der Öffentlichkeit ihr Gesicht verhüllen; vermummte Demonstrant_innen gleichermassen wie Personen, die Burka oder Niqab tragen. Ausnahmen sind nur für Gesundheit, Sicherheit, klimatische Bedingungen und «einheimisches» Brauchtum vorgesehen. Die Initiative enthält zudem ein Verbot, eine Person aufgrund ihres Geschlechts zu zwingen, ihr Gesicht zu verhüllen. Die Bundesversammlung empfiehlt sie zur Ablehnung und verabschiedete einen indirekten Gegenvorschlag: Das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung sieht vor, dass Private ihr Gesicht zeigen, wenn dies zu Identifizierungszwecken notwendig ist. Wer der Aufforderung zur Enthüllung des Gesichts keine Folge leistet, wird mit Busse bestraft; eine allfällige Leistung wird verweigert. 

Weiter enthält der Gegenvorschlag eine Änderung desAusländer- und Integrationsgesetzes AIG, um bei der Gewährung finanzieller Beiträge des Bundes für die «Integration» den besonderen Anliegen von Frauen, Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen; desGleichstellungsgesetzes GlG, um Finanzhilfen nicht nur im Bereich des Erwerbslebens, sondern für die Gleichstellung «in der Gesellschaft» vergeben zu können; und des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, um die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit um die «Verbesserung der Situation der Frauen» zu ergänzen.

Das Parlament nimmt das Argument der Initiant_innen auf, mit ihrer Initiative für mehr Gleichstellung sorgen zu wollen, obwohl es ihnen offenkundig – ein Blick in die Abstimmungszeitung genügt – weder um Geschlechtergerechtigkeit noch um die «Integration» von muslimischen Schweizer_innen geht, sondern darum, Islam- und Frauenfeindlichkeit zu bedienen. Im Modus des „white men saving brown women“ reproduzieren Kleidervorschriften für die weibliche, muslimische Bevölkerung kolonialistisch-rassistische Machtverhältnisse. 

So zeigt auch die Erfahrung mit kantonalen Verhüllungsverboten, dass ihnen kein emanzipatorisches Potenzial innewohnt. Für ein friedliches Zusammenleben der Gesellschaft wäre es zielführender, unabhängig von dieser Initiative ein kohärentes Anti-Diskriminierungsrecht zur Bekämpfung struktureller Benachteiligungen zu schaffen. 

Das in einigen Kantonen bereits geltende Vermummungsverbot für Demonstrationen würde mit der Initiative für die ganze Schweiz eingeführt. Es existieren keine Belege dafür, dass mit einem solchen Verbot die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbessert werden könnte. Die Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die damit einhergeht, ist deshalb nicht zu rechtfertigen. Die Möglichkeit anonymen Protests ist notwendig; es gibt gute Gründe, auch an einer bewilligten Demonstration nicht erkannt werden zu wollen.

Die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ist unnötig und grundrechtlich problematisch. Wir empfehlen, sie abzulehnen.

von Manuela Hugentobler, Geschäftsleiterin DJS

erschienen im plädoyer 1/2021

 Verhuellungsverbot