Presseerklärung
3. Tag der gefährdeten Anwältin / des gefährdeten Anwalts – 24.Januar 2013
Europäische JuristInnen fordern: das Recht baskischer Anwältinnen und Anwälte in Spanien auf freie Berufsausübung muss respektiert werden
Während der letzten zwei Jahrzente wurden mehr als 20 baskische
Anwältinnen und Anwälte in Spanien in Untersuchungshaft genommen,
mehrere von ihnen bis zu fast 2 Jahren. Allen verhafteten Anwältinnen
und Anwälte wurden terroristische Verbrechen in Verbindung mit der ETA
vorgeworfen oder die Beleidigung des spanischen Staates. Alle von ihnen
waren entweder VerteidigerInnen oder MenschenrechtsanwältInnen, die
angebliche Mitglieder oder UnterstützerInnen von ETA Organisationen
vertraten. Anschließend stellte sich heraus, dass die meisten der
Inhaftierungen unbegründet und ungesetzlich waren. In fast allen oben
erwähnten Fällen wurden die verdächtigten Anwälte anschließend frei
gelassen, freigesprochen oder die Fälle wurden eingestellt...
Indem der spanische Staat diese AnwältInnen verhaftete hat er sie nicht
nur daran gehindert ihren beruflichen Aufgaben nachzukommen sondern
ihren MandantInnen wurde auch das Recht genommen, sich von AnwältInnen
ihrer Wahl vertreten zu lassen. Beide Vorgänge beinhalten die Verletzung
von Menschenrechten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention
EMRK, Art. 6 Abs. 2c und nach den Grundprinzipien der Vereinten Nationen
betreffend die Rolle der Rechtsanwälte, Art. 1 „Jeder ist berechtigt,
den Beistand eines Rechtsanwalts seiner Wahl in Anspruch zu nehmen“, und
Art. 18 „Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben
nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten
identifiziert werden“.
Die unterzeichnenden Organisationen AED-EDL und EJDM-ELDH wurden darüber
informiert, dass baskische AnwältInnen in politisch sensiblen Fällen
mit ihren MandantInnen identifiziert wurden. In mehreren Fällen in denen
sie MandantInnen vertraten, die wegen ETA Aktivitäten angeklagt waren,
wurden die AnwältInnen selber der Strafverfolgung ausgesetzt, sie wurden
verhaftet, eingesperrt und erheblichen Druckmitteln ausgesetzt.
Verhaftete AnwältInnen wurden sogar im Anschluss an ihre Verhaftung für
Tage in Isolationshaft gehalten und konnten nicht einmal beraten und
unterstützt werden durch eine Anwältin / einen Anwalt ihrer Wahl.
Spanien ist eines der Länder, in denen AnwältInnen anscheinend bedroht
werden, indem Polizeioffiziere, ebenso wie Medien und Justizautoritäten
vorschlagen, dass AnwältInnen ebenso verfolgt werden müssen wie ihre
MandantInnen. Dies verstößt nicht nur gegen das Gesetz und stellt sich
als Bedrohung des Rechtsstaats dar, sondern es schafft das hohe Risiko,
das sogar AnwältInnen zu Unrecht verdächtigt werden ETA zu unterstützen
als auch tatsächlichen UnterstützerInnen der Anspruch auf ein faires
Verfahren verweigert wird.
Deshalb fordern die unterzeichnenden Organisationen hohe Achtsamkeit
gegenüber den oben erwähnten Verletzungen der Verteidigungsrechte – die
in vielen internationalen und europäischen auch von Spanien
ratifizierten Verträgen garantiert werden (Internationaler Pakt über
bürgerliche und politische Rechte, Europäische Menschenrechtskonvention,
die EU Grundrechtecharta) und die auch eine schwere Verletzung der in
Havanna angenommenen UN Erklärung„Grundprinzipien betreffend die Rolle
der Rechtsanwälte“ darstellen. AED und ELDH wollen ihre Sorge zum
Ausdruck bringen, dass diese schon Jahrzente andauernde strafrechtliche
Verfolgung von AnwältInnen strukturellen Charakter haben. Sie fordern:
1. Die volle Anwendung aller internationalen und europäischen
Verträge, die von Spanien ratifiziert wurden, z.B. Art. 14 der
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 6
Europäische Menschenrechtskonvention.
2. Die volle Anwendung der „UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte“, insbesondere Art. 7.8.16, 18
„...dass alle mit oder ohne strafrechtliche Beschuldigung
festgenommenen oder in Haft gehaltenen Personen unverzüglich Zugang zu
einem Rechtsanwalt erhalten, in keinem Fall später als 48 Stunden nach
der Festnahme oder Inhaftnahme."
„Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen
müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten,
damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger
Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt besucht werden, mit ihm Kontakt
unterhalten und sich mit ihm beraten können. Solche Beratungen dürfen
von Vollzugsbeamten beobachtet, aber nicht abgehört werden.“
"Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit
seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert
werden.“
„Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle
seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen
oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist, zu
reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen
Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten
beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang
stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder
andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird.“
3. Die volle Anwendung der Schlussfolgerungen im Bericht des
Europäischen Komitees für die Verhinderung von Folter und des Besonderen
UN Berichterstatters.
4. Die Abschaffung der Incommunicadohaft (s. Art. 3 EMRK)
5. Die Beendigung des unverhältnismäßigen Einsatzes von
Untersuchungshaft und von
Untersuchungshaft ohne Berücksichtigung der
Verhältnismäßigkeit.
6. Die Beendigung der Praxis von geheimen gerichtlichen
Verfahren, welche den Zugang zu den
Details des Falles einschränken,
einschließlich der Beschuldigungen und Beweismittel bis zu 10 Tagen vor
Beendigung der Ermittlungsphase. Zum Beispiel die Weigerung, die
Beschuldigungen gegen den Inhaftierten zu erläutern und Akteneinsicht zu
gewähren.
7. Eine Kommission zur Untersuchung der Verletzung der Rechte der
RechtsanwältInnen in Spanien, insbesondere derjenigen, die inhaftiert
sind oder die inhaftiert werden sollen.
8. Die Freilassung aller AnwältInnen deren Inhaftierung von der
Untersuchungskommission für ungerechtfertigt angesehen wird und eine
Entschädigung für die erlittenen Menschenrechtsverletzungen.
Prof. Bill Bowring, Rechtsanwalt, Präsident der Europäischen Vereinigung
von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der
Welt e.V. (ELDH-EJDM), London (UK) www.ejdm.eu
Frédéric Ureel, Rechtsanwalt, Präsident der Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte (AED-EDL), Farciennes (Belgien)
www.aed-edl.net
WEITERE INFORMATION: Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt, Vize Präsident der AED-EDL, Haarlem,
Niederlande, Telefon 0031 6 52055043, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Thomas Schmidt, Rechtsanwalt, ELDH Generalsekretär, Düsseldorf, Deutschland, Telefon 0049 211 444001, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Hinweis: Der Tag der gefährdeten Anwälting / des gefährdeten
Anwalts ist ein Projekt welches 2010 von der Kommission „Verteidigung
der Verteidigung“ der AED/EDL ins Leben gerufen wurde. Es ist das Ziel
hierdurch einmal jährlich die Aufmerksamkeit zu lenken auf die weltweit
praktizierte Belästigung, Verfolgung, Tötung und Bedrohung von Anwälten,
die ihre beruflichen Pflichten erfüllen. Seit 2012 wird dieses Projekt
gemeinsam von AED-EDL organisiert.
Report_-_Day of the endangered lawyer_-_2013