In Frankreich wurden die Regeln des Ausnahmezustandes faktisch ins Gesetz übernommen. Auch die Schweiz hat unter dem Titel der Terrorismusbekämpfung in den letzten zwei Jahren aufgerüstet. Ende März endete die Vernehmlassungsfrist für das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, das dritte und letzte der drei grossen Vorhaben des Bundes zur Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung. Die Polizei soll ausserhalb von Strafverfahren mehr Möglichkeiten für den Umgang mit so genannten „Gefährdern oder Gefährderinnen“ erhalten.

Das Gesetz definiert „Gefährder“ als „ potentiell gefährliche Personen“. Die administrativen Massnahmen sollen da Anwendung finden, wo zu wenige Hinweise für die Eröffnung eines Strafverfahrens vorliegen. Vorgesehen sind eine regelmässige Meldepflicht bei einem Polizeiposten, ein Ausreiseverbot, verbunden mit der Beschlagnahme des Reisepasses oder der Identitätskarte, ein Kontaktverbot sowie die so genannte Ein- und Ausgrenzung bezüglich eines bestimmten Gebietes. Sollten diese Massnahmen nicht genügen, so ist Hausarrest für die betroffene Person vorgesehen. Ergänzend sind Kontrollmassnahmen wie die Mobilfunklokalisierung oder die elektronische Fussfessel vorgesehen.
Damit die Polizei die Massnahmen anwenden kann, braucht es lediglich eine Fedpol Verfügung und nur beim Hausarrest eine zusätzliche richterliche Genehmigung. Selbst 12-jährige (beim Hausarrest 15-jährige) sollen schon von den Massnahmen betroffen sein.
Im Hinblick auf die Landesverweisung von Ausländer_innen sieht die Vernehmlassungsvorlage einen neuen Haftgrund vor. So kann eine Person, die „die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährde“, in Haft genommen werden, damit der Vollzug der Landesverweisung sichergestellt werden kann.

Wer als „potentiell gefährlich“ gilt wird nicht weiter ausgeführt; der Entscheid liegt bei der Polizei. Grundsätzlich sind wir alle potenziell gefährlich, da nicht ein konkreter Verdacht Voraussetzung für eine Massnahme ist. Aber es besteht die Gefahr, dass gewisse Stereotypen und Merkmale bestimmen, wer als potentiell gefährlich gelten soll und die Massnahmen in diskriminierender Weise Anwendung finden werden. Einfach für die Polizei wird es auch, die Massnahmen gegen ihnen unliebsame politisch aktive Menschen anzuwenden. Die Massnahmen basieren auf reinen Vermutungen, die u.a. aufgrund nachrichtendienstlicher Überwachung ergehen.

Es wird weit in den Schutzbereich verschiedener wichtiger Grundrechte eingegriffen. Rechtsstaatliche Grundprinzipien wie die Unschuldsvermutung werden nicht mehr anerkannt. Wer von einer Massnahme betroffen ist, muss plötzlich beweisen, nicht „potenziell gefährlich“ zu sein, es findet also eine Umkehr der Beweislast im Vergleich zu einem Strafverfahren statt. Der Hausarrest ist eine freiheitsentziehende Massnahme ohne laufendes Strafverfahren und ohne Urteil, die ohne Gewährung verfahrensrechtlicher Garantien ausgesprochen wird.

Wie weit geht es noch mit dieser Strategie der scheinbaren Risikoverminderung? Wie weit werden Rechte beschnitten zu Gunsten einer vermeintlichen Sicherheit?
Das Strafgesetzbuch wurde schon hinsichtlich terroristisch motivierter Delikte erweitert und reicht schon weit in der präventiven Bereich. Neben der Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplanes gegen Radikalisierung (NAP) wurde auch das Nachrichtendienstgesetz (NDG) verschärft. Die DJS erachten diese polizeilichen Massnahmen als unnötig und gefährlich.

Melanie Aebli, Geschäftsleiterin DJS

Text erschienen im plädoyer 2/2018

Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terorrismusbekämpfung vom 28. Màrz 2018 (PMT)