Wer die herrschenden Verhältnisse auf den Kopf oder, genauer, wieder zurück auf die Füsse stellen, wer transformativ wirken will, muss sich (auch) mit feministischer Theorie auseinandersetzen. Hierbei gehen die Autorinnen von der an Antonio Gramscis Hegemonieverständnis anknüpfenden Grundannahme aus, dass soziale Realität – und damit auch die Geschlechterordnung – stets hegemonial konstituiert ist. Der Kampf um und gegen Recht muss also immer auch die so hergestellte Geschlechterordnung mitdenken, die vom Recht abgebildet und durch Recht hergestellt wird.

Wollen wir Macht brechen, um Gegenhegemonien herzustellen, muss die Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen eines unserer Kernprojekte sein. So schreibt Andrea Büchler, Rechtsprofessorin in Zürich: «Feministische Rechtswissenschaft und Legal Gender Studies sind […] in erster Linie Rechtsanalyse und Rechtskritik. Immer wieder geht es ihnen darum, das Recht als Herrschaftsinstrument, das zum Nachteil eines Geschlechts eingesetzt wird, zu entlarven». Da «verrechtlichte Machtverhältnisse» fast immer auch mit Geschlechterverhältnissen zu tun haben, ist feministische Rechtskritik stets auch Machtkritik. Dank Feminist_innen verstehen wir, inwiefern die Vorstellung einer rechtlichen (wie auch sprachlichen) Objektivität eine ganz bestimmte Form von Männlichkeit als Norm setzt und damit Ungleichheit und Ungerechtigkeit verstärkt. Ein Beispiel: Seit dem 1. Juli 2018 ist das Tragen religiöser Symbole an Basler Gerichten verboten. Anlass dieser Regelung war die Bewerbung auf ein Praktikum von einer Person, die auf dem Bewerbungsfoto ein Kopftuch trägt. Begründet wird der Entscheid zwar mit der richterlichen Unabhängigkeit und der staatlichen religiösen Neutralität. Betrachtet man die Angelegenheit jedoch aus herrschaftskritischer Perspektive, wird deutlich, inwiefern richterliche Unabhängigkeit und staatliche Neutralität gerade hier ein Instrument darstellen, um marginalisierte Lebensformen als parteiisch, als eben nicht-objektiv zu werten und z.B. muslimische Frauen – jedenfalls wenn sie ein Kopftuch tragen – mit dem Richter_innenamt als unvereinbar zu klassifizieren. Dieser Fall zeigt deutlich, wie verschiedene Diskriminierungsebenen zusammenwirken und wie rassistische, sexistische und islamfeindliche Strukturen bestehendes Recht prägen.
Denise Buser, Professorin für öffentliches Recht in Basel, formuliert eine zentrale Frage: Wie können nun aber, gerade im Recht, «ungleiche Verhältnisse aufgezeichnet und ausgesprochen werden […], ohne dass vorhandene Rollenteilungen letztlich geschützt werden?» Oder, in den Worten der deutschen Verfassungsrichterin Susanne Baer: «Lassen sich Regelungen finden, die nicht an eine fixierte Identität, nicht an homogene Subjekte oder Gruppen anschliessen, und doch Mechanismen etablieren, die Diskriminierung […] verhindern?» Wir, als Demokratische Juristinnen und feministische Rechtswissenschaftlerinnen, reagieren auf diese Frage mit einer gewissen Ambivalenz. Die Abbildung und Reproduktion von Machtverhältnissen durch das Recht sowie seine Vereinnahmung als Machtinstrument stehen dem Wunsch, so die Soziologin Sabine Hark, mit Recht Gerechtigkeit herzustellen, grundsätzlich entgegen. Diese Widersprüchlichkeit ist kaum aufzulösen. Und doch lohnt es sich, den Gesichtspunkt der Konstruktion von Geschlecht in die Analyse einzubeziehen: Möglicherweise lässt sich bereits durch eine solche konsequente Analyse der Ungleichheiten die Utopie einer gerechten Gesellschaft leichter denken. Wenn wir nämlich akzeptieren, dass auch das vermeintlich Neutrale oder Objektive immer schon eingebunden und kontextualisiert ist, hilft uns das, das Recht infrage zu stellen und Gegenhegemonien tatsächlich herzustellen.

Manuela Hugentobler und Annina Mullis,
beide im Vorstand der Demokratischen Jurist_innen Bern

erschienen im plädoyer 2/2019