Bettelverbote existieren in zahlreichen Kantonen und Gemeinden schon lange. Gegen neue Verbote regt sich stets Widerstand, da fraglich bleibt, ob ein absolutes Bettelverbot legitim ist. Das Bundesgericht hat die allgemeinen Verbote, also sowohl des aktiven wie auch des passiven Bettelns, in der Vergangenheit geschützt (jüngst wieder im Urteil 1C_443/2017 vom 29.8.2018 bzgl.Waadt).

Zwar anerkennt das Gericht, dass Betteln als eine Form der Hilfesuche ein elementares Freiheitsrecht darstellt, das vom Grundrecht der persönlichen Freiheit erfasst wird. Jeder habe das Recht, andere Menschen um Hilfe anzugehen, um eine Situation der Mittellosigkeit zu beheben (BGE 134 I 214 E. 5.3 bzgl. Genf). Doch rechtfertige das öffentliche Interesse an der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Ruhe sowie der Schutz vor menschlicher Ausbeutung das Verbot (E. 3.6).

Auch in Basel-Stadt wurde jüngst wieder über die Legitimität des geltenden Verbots debattiert. Entgegen des Trends zur Ein- bzw. Wiedereinführung von Bettelverboten hat der Grosse Rat anlässlich der Revision des Übertretungsstrafgesetzes das umfassende Bettelverbot gestrichen. Zukünftig soll nur noch bestraft werden, wer jemanden zum Betteln schickt oder als Mitglied einer Bande bettelt. Das Gesetz ist aufgrund des laufenden Referendums noch nicht rechtskräftig.

Da bereits die Strafandrohung einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, sollte man sich die Grundsätze des Strafrechts in Erinnerung rufen. Das Strafrecht darf nur als ultima ratio eingesetzt werden und es kann nicht jedes anstössige, lästige und störende Verhalten erfassen. Vielmehr muss sich das Strafrecht auf sozialschädliches Verhalten beschränken, das also Rechtsgüter verletzt, verwerflich ist und den sozialen Frieden bedroht.

Das blosse Betteln kann schon deshalb keine Straftat sein, da es dem Einzelnen auch in einem Sozialstaat möglich sein muss, andere um Hilfe zu bitten und es umgekehrt auch jedem Einzelnen selbst überlassen sein muss, dem Gegenüber Geld zu geben oder auch nicht. Werden die Verbote mit der angeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Ruhe und dem Schutz vor menschlicher Ausbeutung begründet, so scheint man damit vielmehr nur bestimmte Formen des Bettelns verbieten zu wollen, wie etwa unfreiwilliges oder besonders aggressives oder bandenmässiges Betteln an bestimmten Orten.

Auch scheint es bei den totalen Bettelverboten darum zu gehen, öffentlich sichtbare Armut und Obdachlosigkeit aus den Städten zu verdrängen. Dem unfreiwilligen Betteln (etwa durch Kinder) und dem Betteln für Hintermänner kann mit bestehenden Strafnormen begegnet werden. Für die DJS ist klar, dass kein den Grundrechtseingriff überwiegendes öffentliches Interesse daran besteht, Betteln allgemein zu verbieten. Auch wenn es von Einzelnen als Belästigung empfunden wird, ist es sozial- und kriminalpolitisch verfehlt, Betteln mittels Bussen zu bestrafen.

Ein Blick nach Österreich zeigt, dass es auch anders geht. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (etwa im Urteil V27/2017-14 vom 28.6.2017) hat ein totales Verbot in Salzburg aufgehoben, da insbesondere ein Verbot des stillen Bettelns Menschen von der Nutzung des öffentlichen Raums ausschliesse, was gegen den Gleichheitsgrundsatz verstosse. Wie kürzlich in Basel-Stadt geschehen, sollten die totalen Bettelverbote überall überdacht und schliesslich angepasst werden.

Michelle Lachenmeier, Vorstand DJS Basel

erschienen im plädoyer 4/2019