Der Vorentwurf des Bundesrates zum DNA-Profilgesetz sieht eine Ausweitung der DNA-Analyse zu Fahndungszwecken vor. Mittels sogenannter Phänotypisierung sollen zukünftig Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie die «biogeografische» Herkunft und das biologische Alter aus Tatortspuren herausgelesen werden dürfen. Es ist fraglich, ob dafür ein genügendes öffentliches Interesse besteht und die Zwangsmassnahme verhältnismässig ist.

Bereits im ersten Entwurf des DNA-Gesetzes von 2002 wollte der Bundesrat sich die Möglichkeit offen halten, dass die Strafverfolgungsbehörden «ausnahmsweise […] für die Aufklärung von Verbrechen […] zur Identifizierung der Täterschaft oder zur Beweisführung» auf die codierten Abschnitte der DNA hätten zugreifen können. In der parlamentarischen Debatte hielt der damalige Nationalrat Felix Gutzwiller fest, dass die Kommission dieses «Türchen […] zu Recht zugemacht» habe. Das Parlament versperrte so den Weg zum gläsernen Menschen. Nun wagt der Bundesrat einen neuen Anlauf.
Auf den ersten Blick könnte man das Gesetzgebungsprojekt für unproblematisch halten, da ja die äusseren Merkmale, die mittels Phänotypisierung festgestellt werden sollen, ohne weiteres und für jeden sichtbar sind. Zur Feststellung der Merkmale muss aber auf die gesamte Erbinformation und somit auf die materielle Basis der Grundinformation über die individuellen Eigenschaften jedes Menschen zugegriffen werden – es handelt sich eben gerade nicht um blosses Hinsehen.
Ein solch schwerer Grundrechtseingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht bedarf eines gewichtigen öffentlichen Interesses, damit die Zwangsmassnahme verhältnismässig ist. Das fedpol hebt im erläuternden Bericht hervor, dass sich die technische Analyse und damit die Vorhersagewahrscheinlichkeit im letzten Jahrzehnt massiv verbessert habe und die Ausweitung der DNA-Analyse zur «Effizienzsteigerung» der Strafverfolgungsbehörde gerechtfertigt sei. Den konkreten praktischen Mehrwert für die Fahndung kann das fedpol aber nicht aufzeigen. Der Deutsche Anwaltsverband, der sich ebenfalls gegen die Einführung der Phänotypisierung stellte, zweifelt daran, ob es überhaupt einen Fall gibt, in dem die Analyse von Haar-, Haut und Augenfarbe die Ermittlungen vorangebracht habe. Wenn aber der polizeiliche Mehrwert nicht oder nur begrenzt gegeben ist, muss die Notwendigkeit der gesetzlichen Vorschrift hinterfragt werden.
Daneben besteht das grosse Problem, dass mit der Phänotypisierung von DNA-Tatortspuren die institutionelle Diskriminierung von Minderheiten in der Schweiz verstärkt wird. Denn die Aussage «Hautfarbe: weiss; Herkunft: Europa» in einer europäisch weissen Mehrheitsgesellschaft bietet keinen Ansatz für eine Fahndung. Es ist zu befürchten, dass bei einer Fahndung mit den Erkenntnissen aus der erweiterten DNA-Analyse – insbesondere, wenn dies öffentlichkeitswirksam geschieht –, gewisse Bevölkerungsgruppen systematisch unter Generalverdacht gestellt werden.
Die Technik mag sich verbessert haben, die grund- und menschenrechtliche Problematik der Phänotypisierung bleibt. Darum rufen die Demokratischen Juristinnen und Juristen und grundrechte.ch den Bundesrat dazu auf, keine Experimente auf Kosten der Grund- und Menschenrechte zu betreiben und die Büchse ungeöffnet zu lassen.
Die ganze Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren zum DNA Profil Gesetz kann auf der Website der DJS eingesehen werden.

Stefan Dietiker (grundrechte.ch) und Melanie Aebli (Geschäftsführerin DJS)

erschienen im plädoyer 6/2019