Änderung des Obligationenrechts (Mietrechtsrevision)
Vernehmlassungsfrist 31. März 2006
DJS JDS GDS Neuengasse 8, 3011 Bern
Bern, den 30. März 2006

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
Bundhaus Ost
3003 Bern

Änderung des Obligationenrechts (Mietrechtsrevision) Vernehmlassungsfrist 31. März 2006

Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Gerne nehmen die Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz die Gelegenheit wahr um Ihnen eine kurze Stellungnahme zum Entwurf zur Änderung des Mietrechts zu unterbreiten. Wir beschränken uns dabei auf den uns zentral wichtig erscheinenden Punkt des neu geplanten „dualistischen Systems“.

Die DJS setzen sich für ein Mietrecht ein, welches die finanzielle Ausgewogenheit zwischen den Vertragsparteien fördert und wir unterstützen insbesondere die Vereinfachung und bessere Durchschaubarkeit des bestehenden Rechtes. Dazu gehört auch, dass die rechtlichen Bestimmungen möglichst transparent und für alle Betroffenen – in diesem Falle die Mieterinnen und Mieter – einfach nachvollziehbar und verständlich sind.

Damit dieses Ziel der Transparenz erreicht werden kann müssen die wichtigsten oder die politisch heiklen Fragen wie die Pauschalen in der Bruttorendite im Gesetz selber und nicht in einer Ausführungsverordnung geregelt werden. Ebenfalls würden wir es sehr begrüssen, wenn gleichzeitig mit der Vernehmlassung bereits der Inhalt der künftigen Verordnung bekannt gegeben werden könnte.

Die DJS lehnen insbesondere das vorgesehene dualistische System ab. Sowohl wirtschaftliche als auch soziale (ungleiche) Kräfteverhältnisse verunmöglichen es der schwächeren Vertragspartei – also den Mieterinnen und Mietern – eine freie Wahl zu treffen. Das dualistische Modell führt zu zwei Rechtssystemen mit je dazugehöriger Rechtssprechung und verkompliziert das geltende System noch zusätzlich. Es ist offensichtlich eine Illusion, das dualistische System als „freie Wahl der Vertragsparteien“ (Bericht Ziff. 3.2) zu bezeichnen. In Wirklichkeit ist der Mietvertrag, d.h. die Beziehung zwischen den Parteien grundsätzlich asymmetrisch. Die Mietenden sind die „schwächere“ Vertragspartei. Letztlich ist das elementare Bedürfnis nach einer Wohnung viel grösser und dringender als dasjenige des Vermieters, sein Eigentum zu vermieten und einen wirtschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen. Die wirtschaftliche und soziale Beziehung zwischen den Parteien ist nicht ausgeglichen. Nicht zuletzt dieses Ungleichgewicht ist die Rechtfertigung dafür, dass das geltende Recht und die Rechtsprechung dem Mieter auf dem Gebiet der Mietzinse und der Kündigungen einen gewissen Schutz gewährt.

Eine Wahlfreiheit und Verhandlungsmöglichkeit zwischen den Parteien könnte es nur geben, wenn sie wirtschaftlich und gesellschaftlich gleich stark wären. Nur bei einer solchen Konstellation könnte gegenseitiges Nachgeben zu einem ausgewogenen Vertrag führen. Dies ist aber bei der vorgeschlagenen Revision nicht der Fall. Das dualistische System zur Mietzinsgestaltung verstärkt das Ausgeliefertsein der schwachen Partei. Die „freie Wahl“ der Parteien beruht auf einer theoretischen Sicht, die mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität nichts zu tun hat. Vor allem in Gebieten, wo Wohnungsnot herrscht, insbesondere in den Städten hat der Markt keinerlei regulierende Wirkung und der Vermieter ist in einer noch stärkeren Position. Damit ist es in aller Regel der Vermieter, der die eine oder andere Methode zur Mietzinsanpassung bestimmen kann.

Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass die Verfassungsbestimmung zum Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und Kündigungen (Art. 109 BV) und das darauf basierende Mietrecht vom Gesetzgeber gerade deshalb eingeführt wurde, weil die Vertragsparteien nicht in einer Beziehung von Gleichheit zu einander stehen. Es ist daher für die DJS nicht nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat ein Modell vorschlägt, das die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Realität der Mietenden nicht länger berücksichtigen will und vielmehr jahrzehntelange Anstrengungen der Mieterinnen und Mieter und ihrer Organisationen zunichte macht, um die negativen Auswirkungen der Vertragsfreiheit zu begrenzen. Der zweite Kritikpunkt ist, dass zwei verschiedene Regelungen für ein und denselben Vertragstyp ins Gesetz eingeführt werden sollen. Es handelt sich dabei um eine einmalige Idee, die es im Privatrecht sonst nirgends gibt. Dieses doppelte Rechtssystem ist bei gewöhnlichen Mietverträgen, die nicht im Rahmen von Förderungsmassnahmen durch die öffentliche Hand einer behördlichen Kontrolle unterliegen, nach unserer Kenntnis in Europa einzigartig und von der Rechtstechnik und –theorie her zu beanstanden.

Zum dritten befürchten die DJS, dass das dualistische Modell, bei welchem der Anfangsmietzins nach zwei völlig verschiedenen Kriterien festgelegt wird (Vergleichsmiete / Kostenmiete) und bei dem auch während der Dauer des Mietverhältnisses verschiedene Anpassungsgründe gelten, über kurz oder lang auch zu einer doppelten Rechtsprechung führen muss. Damit wird aber die Sache noch viel komplizierter als sie es bereits im heutigen Recht ist. Hinzu kommt, dass im dualistischen Modell bei der Kostenmiete während des laufenden Mietverhältnisses noch eine zusätzliche Option eröffnet wird (Pauschalen oder tatsächliche Kosten).

Das dualistische Modell erreicht also das Ziel der Vereinfachung, das sich der Bundesrat gesetzt hat in keiner Art und Weise. Ein vierter Schwachpunkt besteht darin, dass nach dem dualistischen System der Anfangsmietzins grundsätzlich anhand der Vergleichsmieten festgelegt werden soll. Es ist unverständlich, dass der Bundesrat wieder diese Methode vorschlägt und zwar ausgerechnet bei der grundsätzlichen Festlegung des Mietzinses, wie sie vom Volk im Februar 2004 klar verworfen wurde, bzw. wo ja das Referendum gerade auch wegen der Vergleichsmieten ergriffen worden ist. Ein dualistisches System entspricht daher auch nicht dem Volkswillen, die Vergleichsmiete, d.h. den Marktmietzins zu verhindern.

Die Vergleichsmiete war bei der letzten Abstimmung über die Mietrechtsrevision ein zentrales Argument für die Ablehnung. Zudem würde die Methode zur Bestimmung der Vergleichsmiete (hedonische Methode oder reine Statistiken) wie bereits bei der letzten Revision erst nach der Einführung des neuen Gesetzes bestimmt, so dass es sich erneut um eine „black box“ handelt.

Wir hoffen, dass unsere Überlegungen in die künftige Ausgestaltung der Gesetzgebung miteinbezogen werden können und verbleiben mit freundlichen Grüssen

Catherine Weber
Geschäftsführerin DJS