Änderung des Bundesgesetzesüber die Bundesstrafrechtspflege
Aufsicht über die Bundesanwaltschaft
Vernehmlassungsfrist 30.Oktober 2005 DJS JDS GDS Neuengasse 8,
3011 Bern

Bern den 27. Oktober 2005

Bundesamt für Justiz
Bundersain 20
3003 Bern

Stellungnahme der DJS zur Änderung des BG über die Bundesstrafrechtspflege / Aufsicht über die Bundesanwaltschaft Vernehmlassungsfrist 30.Oktober 2005


Sehr geehrter Herr Bundesrat Blocher
Sehr geehrte Damen und Herren


Die DJS können die im Gesetzesentwurf neu geplante Unterstellung der Bundesanwaltschaft unter die Aufsicht des EJPD und den damit angestrebten Systemwechsel grundsätzlich akzeptieren. Auch die Aufhebung der bisher zweigeteilten Aufsicht (Administrativaufsicht durch das EJPD / Fachaufsicht durch das Bundesstrafgericht) ist aus unserer Sicht sinnvoll und begrüssenswert.
 
Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und damit auch der Bundesanwaltschaft bei der Führung ihrer Strafuntersuchungen – und dies ist den DJS ein besonderes Anliegen – darf aber auf keinen Fall beeinträchtigt werden. Die DJS verlangen daher, dass im Rahmen der exekutiven Fachaufsicht gesetzlich klar und abschliessend umschrieben wird, was die Aufsichtsbehörde bei Einleitung, Durchführung und Abschluss von Strafverfahren resp. bei der Vertretung der Anklage vor Gericht genau anordnen darf.

Die gewählte Formulierung in Art. 16a Abs. 1 lit. a des Vorentwurfes ist zu offen und verletzt das Legalitätsprinzip. Die Staatsanwaltschaft verrichtet aufgrund des Initiativcharakters ihrer Tätigkeit unzweifelhaft Verwaltungstätigkeit, weshalb sie in einem gewaltenteilig organisierten Staat nicht der Judikative, sondern der Exekutive zugeschlagen werden muss. Dies entspricht auch der Regelung in den meisten Kantonen.

So beinhaltet die Prioritätensetzung innerhalb der Strafverfolgungstätigkeit und damit verbunden auch die Bündelung der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen unbestrittenermassen auch eine politische Komponente: Für die Frage, ob resp. mit welchen Prioritäten und Mitteln nun beispielsweise Umwelt- oder Wirtschaftskriminalität verfolgt und geahndet werden soll, muss die Exekutive als politische Behörde letztlich die Verantwortung tragen. Die heute praktizierte dauernde und direkte Aufsicht eines Gerichts über ein staatliches Organ, welchem eben vor diesem Gericht Parteistellung, bzw. eine besondere Stellung als verfahrensbeteiligte Behörde zukommt, ist unter Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatlichkeitsaspekten höchst problematisch: So fand Mitte des 19. Jahrhunderts zum besseren Schutz des Angeklagten vor richterlicher Willkür mit der allmählichen Implementierung der Gewaltenteilung auch ein Übergang vom Inquisitionsprozess zum Anklageprozess statt - eine Entwicklung die dazu führte, dass neben dem bis dahin für den Strafprozess allein zuständigen Richter, neu eine zweite staatliche Behörde eingerichtet werden musste, die ab diesem Zeitpunkt unabhängig vom erkennenden Richter den staatlichen Strafanspruch vertrat.

Diese historische rechtsstaatliche Errungenschaft untermauert die klare und konsequente Trennung von anklagender und richterlicher Behörde. Deshalb kann die Bundesanwaltschaft nicht - und schon gar nicht im Rahmen der Fachaufsicht - dem Bundesstrafgericht unterstellt sein. Die Staatsanwaltschaft und damit auch die Bundesanwaltschaft müssen dem Einflussbereich der Judikative gänzlich entzogen sein. Problematisch in Bezug auf die Unterstellung der Bundesanwaltschaft unter das EJPD ist hingegen der (potentielle) Einfluss der Aufsichtsbehörde auf die konkrete, alltägliche Tätigkeit der Bundesanwaltschaft und damit deren Beeinträchtigung in der Arbeit als unabhängige Strafverfolgungsbehörde mittels Weisungen. Da es sich bei den staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen um Verwaltungstätigkeit handelt, eine Tätigkeit, für welche die Regierung die politische Verantwortung trägt, muss dieser gegenüber der Staatsanwaltschaft auch ein Weisungsrecht zustehen.

Dabei ist bei der vorgeschlagenen Neuregelung wichtig, dass sich die Exekutive ihrer politischen Verantwortung für die staatsanwaltliche Tätigkeit nicht mehr entledigen kann. Das Weisungsrecht stellt deshalb nicht nur ein Recht, sondern auch eine Last dar. So kann sich die Exekutive im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung im Falle eines Misstandes nicht mehr herausreden, sie habe keine Handhabe besessen, diesen zu beseitigen. Angesichts der Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament hat sie politisch für den reibungslosen Ablauf der Strafverfolgung einzustehen und nötigenfalls die Konsequenzen für die unter ihrer Aufsicht eingetretenen Fehlentwicklungen zu tragen.

Die Weisungsgebundenheit der Bundesanwaltschaft gegenüber der Exekutive gilt jedoch nicht absolut: Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und damit auch der Bundesanwaltschaft bei der Führung ihrer Strafuntersuchungen – und dies ist den DJS ein besonderes Anliegen – darf auf keinen Fall beeinträchtigt werden. So muss es der Exekutive trotz ihrer Funktion als Aufsichtsorgan verwehrt bleiben, der Staatsanwaltschaft Weisungen im Einzelfall zu erteilen und sich in die Eröffnung oder Führung eines konkreten Strafverfahrens einzumischen. Dieser wichtigen Voraussetzung kommt der vorgeschlagene Gesetzesentwurf grundsätzlich nach, indem gemäss Art. 15 des Vorentwurfes die Bundesstaatsanwaltschaft bezüglich Einleitung, Durchführung oder Abschluss von Verfahren sowie für die Vertretung der Anklage vor Gericht und die Ergreifung von Rechtsmitteln im Einzelfall keinen Weisungen des Bundesrates oder des EJPD untersteht und somit unabhängig bleibt. So wird eine konkrete politische Einflussnahme der Regierung auf die Führung von einzelnen Strafverfahren durch die Bundesanwaltschaft unterbunden.

Die im Rahmen der Fachaufsicht bestehende allgemeine Ausgestaltung des Weisungsrechts in Art. 16a Abs. 1a u. b des Vorentwurfes ist sicherlich der heikelste Bereiche exekutiver Aufsicht. Die Gefahr vor indirekt politisch inspirierter Strafverfolgung ist immanent. Diesbezüglich ist die offene Formulierung dieser Gesetzesbestimmung zu monieren: Insbesondere ist unklar und missbrauchsanfällig, was mit "Mängel" genau gemeint ist, resp. gemeint sein wird und welche konkrete Anordnungen der Exekutive dann auf dem Verordnungsweg näher geregelt werden dürfen. In diesem wichtigen Punkt ist der Gesetzestext zu wenig bestimmt und präzise und muss aus Sicht der DJS redigiert werden. Im Rahmen der exekutiven Fachaufsicht muss gesetzlich klar und abschliessend umschrieben sein, was die Aufsichtsbehörde bei Einleitung, Durchführung und Abschluss von Strafverfahren resp. bei der Vertretung der Anklage vor Gericht genau anordnen darf. Die gewählte Formulierung in Art. 16a Abs. 1 lit. a des Vorentwurfes ist zu offen und verletzt das Legalitätsprinzip. Immerhin kann die neu vorgesehene offizielle Publikation der entsprechenden Weisungen in Form einer Verordnung und die damit verbundene Transparenz dem politischen Missbrauchspotential exekutiver Fachaufsicht möglicherweise etwas entgegen wirken.

Wir hoffen, dass unsere Überlegungen in die künftige Gesetzgebung einbezogen werden können und verbleiben mit freundlichen Grüssen

Catherine Weber
Geschäftsführerin DJS