Revision des Urheberrechtsgesetzes, Vernehmlassungsfrist 31.1.2005 DJS JDS GDS
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Bern, den 31. Januar 2005

Eidg. Institut für Geistiges Eigentum
Abt. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
Einsteinstrasse 2
3003 Bern

Revision des Urheberrechtsgesetzes Vernehmlassungsfrist 31.1.2005
Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Mit Schreiben vom 21. September 2004 haben Sie uns Ihren Entwurf zur Revision des Urheberrechtsgesetzes zur Vernehmlassung unterbreitet. Es geht dabei vorrangig um die Implementierung der beiden WIPO-Verträge vom Dezember 1996 in das schweizerische Recht. Wir danken für diese Gelegenheit zur Stellungnahme und machen davon sehr gerne Gebrauch.

I.Allgemeines

Als die Bundesversammlung im Oktober 1992 das heute geltende Urheberrechtsgesetz verabschiedete, handelte es sich um ein im internationalen Vergleich recht fortschrittliches Gesetz, welches ein hohes Schutzniveau festschrieb. In der Zwischenzeit haben die technische und die ökonomische Entwicklung, insbesondere im Internetbereich, diesen Rechtsschutz teilweise entwertet. Diesen Veränderungen versuchen die beiden WIPO-Verträge von 1996 zu begegnen, indem der Rechtsschutz dem neuen digitalen Umfeld angepasst wird. Es liegt ohne Zweifel im Interes-se der Schweiz, den dadurch verbesserten internationalen Schutzstandard möglichst bald ebenfalls wieder zu erreichen.
In der Tat ist es so, dass die EU-Staaten, welche diese Verträge bzw. die darauf aufbauende EU-Richtlinie bereits in das nationale Recht umgesetzt haben, über einen deutlich höheren Urheberrechtsschutz verfügen als die Schweiz. Daraus resultiert für die schweizerischen Kulturschaffenden wie auch für die schweizerische Kulturgüter-produktion ein durchaus relevanter Standortnachteil. Dieser muss durch die vorge-schlagene Revision möglichst rasch beseitigt werden.

Die DJS sind überzeugt, dass der mit der Revision von 1992 eingeschlagene Weg eines hohen Schutzniveaus, verbunden mit möglichst praxistauglichen Vorschriften für die Wahrnehmung dieser Rechte, beibehalten werden sollte. Dies bedeutet, dass der Rechtsschutz ausschliesslich bei den Werkschaffenden und Interpretinnen und Interpreten anknüpfen muss und auf gesetzliche Rechtsabtretungen, z.B. im Arbeits-verhältnis, zu verzichten ist. Gleichzeitig ist klar, dass es den zahlreichen Einzelpersonen und Kleinunternehmen, welche im Bereich des Kulturschaffens und der Vermarktung kultureller Güter tätig sind, aus praktischen Gründen nicht möglich ist, ihre Rechte individuell wahrzunehmen. Daran können auch teure Digital Rights Manga-ment-Systeme nichts ändern. Diese werden tendenziell sogar zu einer Verstärkung der dominierenden Stellung marktmächtiger Unternehmen führen.

Um dem entgegenzuwirken, muss die kollektive Rechtewahrnehmung nicht etwa beschränkt, sondern noch ausgebaut werden. Nur so sind die im Gesetz begründeten Ansprüche auch tatsächlich durchsetzbar.

II.Stellungnahme zu einzelnen Vorschlägen

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz begrüssen insgesamt den vorgelegten Revisionsentwurf. Dieser setzt die internationalen Verträge in angemes-sener Weise in nationales Recht um. Im Einzelnen möchten wir auf folgendes hinweisen:

1. Recht auf Zugänglichmachen
Wir begrüssen, dass das Recht auf Zugänglichmachen, wie es in Art. 8 WCT und in den Art. 10 und 14 WPPT statuiert wird, in den verschiedenen Bestimmungen des URG mit einheitlichem Wortlaut umgesetzt werden soll. Dies erleichtert die Interpretation des Gesetzes und erhöht die Lesbarkeit des Gesetzestextes.
2.Werkverwendung zum Eigengebrauch
Der Revisionsvorschlag bringt hinsichtlich der gesetzlichen Lizenz für den Eigengebrauch keine materiellen Änderungen, will aber Unklarheiten beseitigen, die sich bei der Interpretation des Art. 19 URG ergeben haben. Wir begrüssen diesen Vorschlag. Allerdings sollte darüber hinaus auch die umstrittene Rechtsfrage geklärt werden, inwieweit das Kopieren ab einer illegalen Quelle im persönlichen Bereich zulässig ist. Die DJS sind der klaren Meinung, dass im persönlichen Bereich jede Werkverwendung zulässig sein muss und dass es für diesen Bereich weder urheber-rechtliche Verbote noch urheberrechtliche Strafbestimmungen geben darf.
Die entsprechenden Nutzungen sind durch Fotokopiervergütungen, Leerkassettenentschädigungen usw. abzugelten. Andererseits muss klar sein, dass Werkexemplare, die aufgrund der gesetzlichen Lizenz hergestellt wurden, ausserhalb des persönlichen Bereichs nicht verwendet werden dürfen und dass Widerhandlungen gegen diese Begrenzung rechtlich sanktioniert werden können.

3. Einführung einer Geräteentschädigung
Die DJS begrüssen die Einführung einer Gerätevergütung als zusätzliches Instrument zur Leerträgervergütung, da dadurch der Einzug der Vergütungen vereinfacht werden kann. Allerdings erscheint uns der Begriff "kleine und mittlere Betriebe" als Rechtsbegriff äusserst problematisch und auch sachfremd. Abgesehen davon, dass eine Abgrenzung zwischen mittleren und grossen Betrieben kaum möglich ist, kommt es nicht auf die Grösse des Betriebes an, sondern auf das Ausmass der in diesem Betrieb getätigten Vervielfältigungen geschützter Werke und Leistungen. Die Worte "kleine und mittlere" sollten daher ersatzlos gestrichen werden. Die hier angefügte Bestimmung über die Angemessenheitskontrolle ist im materiellen Teil des Gesetzes fehl am Platz; da sie aber auch inhaltlich gegenüber Art. 59 URG nichts Zusätzliches regelt, sollte dieser Absatz ersatzlos gestrichen werden.

4. Flüchtige Vervielfältigungen
Der Vorschlag entspricht Art. 5 Abs. 1 der EU-Richtlinie und bringt die notwendige Schutzausnahme für flüchtige Vervielfältigungen. Er ist zu begrüssen.

5. Persönlichkeitsrechte für Interpretinnen und Interpreten
Wir begrüssen die Einführung eines spezifischen Persönlichkeitsschutzes für Inter-pretinnen und Interpreten. Allerdings sollte diese Regelung nicht in Konflikt zur all-gemeinen Bestimmung des Art. 28 ff. ZGB geraten. Dies ist insofern der Fall, als der Schutz des vorgeschlagenen Art. 33a über den Tod der berechtigten Person hinaus gelten soll, während der gesetzliche Persönlichkeitsschutz für alle andern Personen mit dem Tod endet. Um diesen Widerspruch zu vermeiden, schlagen wir vor, den letzten Satz von Art. 33a Abs. 2 zu streichen.

6. Archivaufnahmen
Es ist schon aus kulturellen Gründen wünschbar, dass die Verwendung von älteren Ton- und Tonbildaufnahmen nicht daran scheitern kann, dass Berechtigte nicht be-kannt oder nicht auffindbar sind und dass daher die für die Nutzung erforderliche Erlaubnis nicht erteilen können. Der vorgeschlagene Weg, dieses Problem durch eine Geschäftsführung einer Verwertungsgesellschaft ohne Auftrag zu lösen, erscheint uns als sachgerecht. Allerdings ist die Titelüberschrift verfehlt: Es geht keineswegs nur um irgendwelche „Archivaufnahmen“, sondern vor allem auch um ältere audiovisuelle Werke, die auch heute noch genutzt werden könnten, bei denen aber die neu-geschaffenen Rechte nicht nachträglich eingeholt werden können, weil die Berechtig-ten nicht mehr erreichbar sind. Wir würden daher die Überschrift „Vertretung unbekannter Berechtigter“ begrüssen.

7. Schutz von technischen Massnahmen und von Informationen für die Wahrnehmung von Rechten
Die Einführung eines Schutzes technischer Massnahmen ist sehr zu begrüssen. Allerdings wird im jetzigen Vorschlag der Charakter der Norm nicht klar. Die Formulierung deutet auf eine verwaltungsrechtliche Bestimmung, die von Amtes wegen an-gewandt wird. Im erläuternden Bericht ist aber die Rede davon, dass eine Verletzung technischer Massnahmen „weder zivil- noch strafrechtlich geahndet“ werden kön-ne,was durch die vorgeschlagenen Bestimmungen korrigiert werden solle. Offenbar ist also in den Art. 39 a ff. eine Regelung auf der zivilrechtlichen Ebene anvisiert. Dafür taugen die vorgeschlagenen Regeln aber nicht.
Eine zivilrechtliche Regelung muss einen individuellen Anspruch statuieren, diesen einem Rechtssubjekt zuschreiben und die Adressaten des Anspruchs benennen. Das tun die Art. 39a ff. nicht. Sie beschreiben lediglich verbotene Verhaltensweisen von Nichtberechtigten, ohne dar-an konkrete Rechtsfolgen zu knüpfen. Eine solche Regelung hat im zivilrechtlichen Bereich rein deklaratorischen Charakter. Auch ist unklar, wer denn aus welchem Recht gegen diese verbotene Verhaltensweise vorgehen könnte: Urheberinnen und Urheber? Herstellerinnen und Hersteller von Schutzmassnahmen? Die durch Umge-hungsmassnahmen wirtschaftlich Betroffenen? Oder auch alle zusammen?
Die verwaltungsrechtliche Formulierung eines wohl zivilrechtlich gedachten Anspruchs verführt dann auch zur Schaffung besonderer Rechtfertigungsgründe (z.B. Art. 39a Abs. 4), deren Verhältnis zu den allgemeinen Gründen des Haftungsausschlusses völlig rätselhaft sind. Auch die Ermächtigung des Bundesrates zum Erlass „weiterer Regeln“ ist in einer zivilrechtlichen Regelung fehl am Platze. Die Art. 39a ff. bedürfen daher gründlicher redaktioneller Überarbeitung.

Wir schlagen folgendes vor: Art. 39a (neu) Schutz technischer Massnahmen

1 Technische Massnahmen zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst im Sinne von Artikel 2 sowie von Schutzobjekten nach dem dritten Titel dürfen bis zum Ablauf der Schutzfrist nicht umgangen werden; als Umgehen gilt auch das Beseitigen, Zerstören oder sonstige Unbrauchbarmachen solcher technischer Massnahmen.

2 Als technische Massnahmen im Sinne von Absatz 1 gelten Technologien und Vorrichtungen wie Zugangs- und Kopierkontrollen, Verschlüsselungs-, Verzerrungs- und andere Umwandlungsmechanismen, die dazu bestimmt und geeignet sind, unerlaubte Verwendungen von Werken und andern Schutzobjekten zu verhindern.

3 Verboten sind das Herstellen, Einführen, Anbieten, Veräussern, Verbreiten, Vermieten, Überlassen zum Gebrauch, die Werbung für und der Besitz zu Erwerbszwecken von Technolo-gien, Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteilen, die
a. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung, Beseitigung, Zerstörung oder sonstigen Unbrauchbarmachung technischer Massnahmen sind; oder
b. davon abgesehen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben; oder
c. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung, Beseitigung, Zerstörung, oder sonstige Unbrauchbarmachung technischer Massnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

4 Das Umgehungsverbot kann gegenüber denjenigen Personen nicht geltend gemacht werden, welche die Umgehung ausschliesslich zum Zweck einer gesetzlich erlaubten Verwendung vornehmen. Art. 39 b (neu) Pflichten der Anwender technischer Massnahmen Streichen. Diese Vorschrift hat in der vorgeschlagenen Formulierung keinen urheberrechtlichen Gehalt, sondern gehört eher in den Bereich des Konsumentenschutzes. Sie geht weiter über die bisher geltende Schrankenbestimmung des Art. 19 URG hinaus und wäre bei wörtlicher Umsetzung ein eigentlicher Freipass für sämtliche Nutzerinnen und Nutzer. Sie ist deshalb mit Sicherheit nicht praxistauglich. Art. 39b ist ersatzlos zu streichen. Art. 39 c (neu) Schutz von Informationen für die Wahrnehmung von Rechten
1 Informationen für die Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten dürfen nicht entfernt oder geändert werden.
2 Als Informationen im Sinne von Absatz 1 gelten elektronische Informationen zur Identifizierung von Werken und andern Schutzobjekten oder über Modalitäten und Bedingungen zu deren Verwendung sowie Zahlen oder Codes, die derartige Informationen darstellen, wenn ein solches Informationselement
a. an einem Werkexemplar, Ton-, Tonbild oder Datenträger angebracht ist; oder
b. im Zusammenhang mit einer unkörperlichen Wiedergabe eines Werks oder eines andern Schutzobjekts erscheint.
3 Werke oder andere Schutzobjekte, an denen Informationen für die Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten entfernt oder verändert wurden, dürfen in dieser Form weder vervielfältigt, eingeführt, angeboten, veräussert, verbreitet noch gesendet, weitersen-det, wahrnehmbar oder zugänglich gemacht werden.

8. Leistungsklagen
Die Einführungen eines Schutzes technischer Massnahmen macht auch die Schaffung entsprechender Klagemöglichkeiten notwendig. In Weiterführung unseres Formulierungsvorschlages bei den Art. 39a ff. müsste diese Bestimmung wie folgt lauten:
Art. 62 Abs. 1 Leistungsklagen
1 Wer in seinem Urheber- oder verwandten Schutzrecht verletzt oder gefährdet wird, kann vom Gericht verlangen....
2 Die gleichen Ansprüche hat, wer durch die Umgehung technischer Massnahmen oder durch die Entfernung oder Änderung von Informationen für die Wahrnehmung von Rechten in seiner Kundschaft, seinem Kredit, seinem beruflichen Ansehen, in seinem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird.
3(neu)streichen. Die Sonderregelung von Art. 62 Abs. 3 (neu) ist im zivilrechtlichen Bereich fehl am Platze. Entweder begründet Art. 39b Abs. 1b einen Anspruch, dann ist die Sonderregelung überflüssig. Oder aber Art. 39 b Abs. 1b begründet keinen Anspruch, dann kann es auch keine gerichtliche Durchsetzung geben. Den vorgeschlagenen Texten ist nicht zu entnehmen, was gemeint ist.

Da wir die Bestimmung von Art. 39b ohnehin für unbrauchbar halten, lehnen wir auch diese Sonderregelung ab. 9. Mehrzahl ausübender Künstlerinnen und Künstler Schliesslich möchten wir noch auf einen Mangel des geltenden Gesetzes hinweisen, der zwar nichts mit der Implementierung der beiden WIPO-Verträge zu tun hat, der aber im Rahmen der jetzigen Revision ebenfalls behoben werden sollte: Die jetzige Bestimmung über die gemeinschaftlichen Rechte einer Mehrzahl von ausübenden Künstlerinnen und Künstlern hat sich insbesondere im Bereich der Audiovision als nicht anwendbar erwiesen. Angesichts der grossen Zahl Berechtigter und des Feh-lens einer organisatorischen Struktur unter diesen Personen ist ein gemeinsames Handeln von vorneherein gar nicht möglich.

Das Gesetz bleibt daher in diesem Bereich toter Buchstabe. Dies sollte durch die Schaffung einer gesetzlichen Vertretungsregel geändert werden. Dabei ist einerseits an eine analoge Regelung zu Art. 7 Abs. 3 URG zu denken, andererseits auch an eine subsidiäre Vertretung der Interpretinnen und Interpreten auf der Basis einer Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Hersteller des Tonbildträgers.

III. Schluss
Wir möchten abschliessend nochmals betonen, dass eine rasche Umsetzung der beiden WIPO-Verträge von 1996 in schweizerisches Recht für die Kulturschaffenden in der Schweiz von grosser Bedeutung ist. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Herstellung und der Vertrieb kultureller Güter gestärkt und nicht geschwächt werden. Ein wirksamer Rechtsschutz für schweizerische Kulturschaffende ist nicht zuletzt in der Auseinandersetzung um die Verteidigung kultureller Vielfalt von grosser Bedeutung. In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie unsern Überle-gungen und Änderungsvorschlägen bei der Ausarbeitung der definitiven Vorlage Rechnung tragen können.

Für das Interesse, das Sie unserer Stellungnahme entgegen bringen, danken wir Ihnen im voraus bestens.

Mit freundlichen Grüssen
Catherine Weber
Geschäftsführerin DJS