Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zum Nachrichtendienstgesetz eröffnet. Gerade angesichts der jüngsten medialen Enthüllungen grundrechtlich problematischer Aktivitäten des Nachrichtendienstes ist eine gesetzliche Grundlage notwendig, die verhindert, dass dieser umfassend Daten sammeln und demokratische politische Tätigkeiten fichieren kann.

Anfangs Juni enthüllten SRF Investigativ und die Republik[1], dass der Nachrichtendienst nach wie vor umfassend Daten sammelt und abspeichert und löste damit einen neuen Fichenskandal aus. In den letzten Jahren gelangten regelmässig Probleme des Nachrichtendienstes an die Öffentlichkeit. Deshalb kritisieren humanrights.ch, grundrechte.ch, die DJS und andere seit Jahren die Praxis des NDB. Das unablässige und umfangreiche Sammeln von Informationen über progressive Organisationen und Bewegungen widerspricht dem geltenden NDG und grundrechtlichen Schranken: «Der Nachrichtendienst hat grundrechtswidrig zahllose Daten von Parteien, politischen Organisationen und Personen gesammelt. Damit verletzte er die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Betroffenen sowie deren Anspruch auf die sogenannte informationelle Selbstbestimmung.»[2]

Die DJS haben festgestellt, dass auch Anwält*innen in Bezug auf ihre Mandate immer wieder in den Daten des Nachrichtendienstes vorkommen. Es werden Daten über Personen, die nicht wegen eigener Aktivitäten, sondern im Zusammenhang mit anderen Zielpersonen, in den Datenbanken gespeichert. Auch wenn der NDB in den Auskunftsbegehren explizit festgehalten hat, dass unsere Mitglieder im Zusammenhang mit der anwaltschaftlichen Tätigkeit für den NDB nicht von Interesse seien, so können sie trotzdem bei einer Suche nach dem Namen herausgefiltert werden. Damit stehen die gespeicherten Daten auch für ein in der Zukunft potenziell zu erstellendes Profil zur Verfügung. Auch ist die Registrierung der Rechtsvertretung nicht mit dem Anwaltsgeheimnis vereinbar. Wir haben unter unseren Mitgliedern deshalb einen Aufruf lanciert, selbst ein Einsichtsgesuch zu stellen.[3]

Die in die Vernehmlassung geschickte Revision des NDG sieht bezüglich dieser Probleme keine bzw. nur ungenügende Lösungen vor, will jedoch die Kompetenzen in Bezug auf die einsetzbaren Überwachungsmassnahmen ausweiten. Dringend notwendig ist deshalb die Verankerung einer verpflichtenden Prüfung der Daten jeder einzelnen Person auf ihren nachrichtendienstlichen Bezug und die Anonymisierung von Dritten.[4] Von der vorgesehenen Kompetenzausweitung ist abzusehen. Die Erfahrung zeigt, dass der Nachrichtendienst grösste Mühe hat, legitime politische Betätigung von nachrichtendienstlich relevanten Aktivitäten zu unterscheiden – damit riskieren wir eine verstärkte Gesinnungsschnüffelei. Die Vernehmlassung, an der sich die DJS beteiligen werden, läuft noch bis zum 9. September 2022. Die Unterlagen sind auf fedlex verfügbar.[5]
Manuela Hugentobler, DJS

 

[1]     Lukas Häuptli, Wie der Schweizer Geheimdienst Unverdächtige fichiert, Republik vom 1. Juni 2022, https://www.republik.ch/2022/06/01/wie-der-schweizer-geheimdienst-unverdaechtige-fichiert, vgl. auch Artikel in diesem Heft, S. ??

[2]     Viktor Györffy in: Lukas Häuptli, Wie der Schweizer Geheimdienst Unverdächtige fichiert, Republik vom 1. Juni 2022, https://www.republik.ch/2022/06/01/wie-der-schweizer-geheimdienst-unverdaechtige-fichiert

[3]     Ein Musterbrief findet sich auf der Webseite von grundrechte.ch: http://www.grundrechte.ch/gesuch-um-einsicht-in-die-staatsschutzakten-des-ndb.html

[4]      Siehe dazu auch Markus Schefer in: Nadine Woodtli/Fiona Endres, Praxisänderung beim NDB, Geheimdienst will gezielter Informationen sammeln, 10 vor 10 vom 1. Juni 2022, https://www.srf.ch/news/schweiz/praxisaenderung-beim-ndb-geheimdienst-will-gezielter-informationen-sammeln

[5]      https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/15/cons_1