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19. Oktober 2023

Im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten wurden in Bern, Zürich und Basel für das kommende Wochenende Bewilligungen für Proteste nicht erteilt, wieder entzogen oder gänzlich verboten. Begründet wird dies mit der Sicherheitslage in der Schweiz. Dieses Vorgehen ist mit dem von der Bundesverfassung und internationalen Abkommen geschützten Recht zu demonstrieren nicht vereinbar. 

Gerade auch in Zeiten von Konflikt, Angst und Unruhe zeigt sich Sinn und Zweck des Rechts auf Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. Das Bedürfnis, sich zu äussern, Diskussionen zu führen und Haltung zu zeigen, wird in solchen Momenten der Unsicherheit noch verstärkt. Demokratien bauen auf politischen Aushandlungsprozessen auf – zu Hause wie auch auf der Strasse. Es ist Aufgabe des Staates, diese Aushandlungsprozesse zu gewähren und zu schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesgericht betonen regelmässig, dass die Grundrechte freier Kommunikation Grundlage eines jeden demokratischen Staatswesens sind. Dies gilt in friedlichen, wie auch, umso mehr, in konfliktreichen Zeiten. Ein generelles Demonstrationsverbot verhindert die notwendige öffentliche Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen dieser Tage und höhlt damit den Grundgedanken des Rechts auf Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit aus. 

Mit einem Verbot und dem Nichterteilen von Bewilligungen werden die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit unverhältnismässig eingeschränkt. Vor dem Hintergrund von Terrorismus und andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen genügt es auch nicht, einmalig Kundgebungen zu ermöglichen, wie es Sicherheitsdirektor Reto Nause in Bern argumentiert hat.

Für jede einzelne Demonstration bedarf es einer Abwägung, ob die Voraussetzungen für eine Bewilligung gegeben sind. Sie darf nur dann wegen drohender Gewalttätigkeit verboten werden, wenn ein konkretes und vorhersehbares Risiko besteht, dass Gewalt ausgeübt oder dazu angestiftet wird. Finden Demonstrationen ohne Bewilligung statt, muss erneut und bezogen auf den konkreten Einzelfall abgewogen werden, wie die Grundrechte der Teilnehmer*innen, von Passant*innen und öffentliche Interessen am besten geschützt werden können. Lea Schlunegger, Generalsekretärin der Demokratischen Jurist*innen Schweiz, fordert die Behörden deshalb auf, sich an das Recht zu halten: "Die Partizipation an der politischen Meinungsbildung auf der Strasse ist für die Demokratie unabdingbar. Demonstrationsverbote sind deshalb nur als allerletztes Mittel und unter engen Voraussetzungen zulässig, die momentan nicht vorliegen".

Die Einzelfallprüfung ist ein grundlegendes Element der Rechtsstaatlichkeit, auf das nicht verzichtet werden kann.

Fazit

Ausgehend von den verfassungsmässigen Grundrechten auf Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit und gestützt auf die konstante Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verurteilen die Demokratischen Jurist*innen Schweiz die angekündigten Demonstrationsverbote in den Städten Zürich, Bern und Basel öffentlich und mit klaren Worten. Die angekündigten Demonstrationsverbote stehen im Widerspruch zu den demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien und sind nicht zu rechtfertigen.

Die ausführliche Stellungnahme finden Sie hier.