Tätigkeitsbericht der DJS von Juni 2005 bis Juni 2006

Schwerpunktthema war auch im Berichtsjahr die Revision Bundesgerichtsgesetz (Justizreform): Noch im Sommer 2005 schien es, dass die langwierige Debatte um die Revision des Bundesgerichtes doch noch zu einem halbwegs guten Ende käme. Das vom Parlament in der Junisession verabschiedete BGG konnte aus Sicht der DJS akzeptiert werden: Die ursprünglich viel zu hoch angesetzte Streitwertgrenze und weitere Verfahrenseinschränkun-gen waren abgewendet, die Kognition beim EVG gesichert. Letztere wurde aber vom Parla-ment im Eilzugstempo und völlig unüberlegt über die Hintertüre einer vorgezogenene IV-Teilrevision mit dem irreführenden Titel „Verfahrensstraffung“ Ende 2005 ausgehöhlt. Auf Antrag von SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi ist die Kognition bei IV-Fällen künftig auf reine Rechtsfragen eingeschränkt.

Das „Komitee für eine offene und demokratische Justiz“ - von Lukas Ott seit Oktober 2001 im Auftrag der DJS kompetent geführt - versuchte mit einer letzten Anstrengung bei den Parla-mentsmitgliedern und den Medien dagegen zu intervenieren. An einer Pressekonferenz im Vorfeld der Dezembersession nahm unter anderen Prof. Dr. iur. Thomas Locher, Honorar-professor an der Uni Bern und ehemaliger Richter am Verwaltungsgericht teil, ein erklärter Gegner dieser Einschränkung. Es gelang aber trotz verienten Kräften nicht, unser Anliegen durchzubringen.
So hat das Parlament noch während laufender Referendumsfrist (!), also bevor das verab-schiedete Bundesgerichtsgesetz überhaupt in Kraft gesetzt werden konnte, diesen Kompro-miss desavouiert und die Kognition des EVG bei Leistungen der IV auf reine Rechtsfragen beschränkt. Dies ist ein eklatanter Verstoss des Gesetzgebers gegen Treu und Glauben. Wenn sich gewöhnliche Bürger im Privatleben so benehmen würden, hätte dies Sanktionen zur Folge. Nicht so für das Parlament: Es setzte sich – mangels Verfassungsgerichtsbarkeit –ungestraft über elementare Grundsätze der Rechtsordnung hinweg. Für die DJS ist dies ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich bei der Bundesgerichtsreform um eine konstruktive Konsenssuche bemüht haben.
Und als ob das noch nicht genug wäre, hat das Parlament am 8. Juni 2006 noch eins drauf-gelegt und beschlossen, die Richterzahl am Bundesgericht um drei Richterstellen zu reduzie-ren!
Die DJS-Mitglieder haben in den vergangenen drei Jahren Extra-Beiträge bezahlt, die der Äufnung eines Kampffonds gegen die Verschlechterungen bei der Bundesgerichtsreform dienten. Unter anderem dank dieses Efforts war es möglich, das Komitee für eine offene und demokratische Justiz zu gründen. Die DJS danken daher an dieser Stelle allen Mitgliedern und den zahlreichen unterstützenden Organisationen für ihr Engagement.

Anfragen zur finanziellen Unterstützung: Im Berichtsjahr gingen bei den DJS zahlreiche Gesuche um finanzielle Unterstützung von Projekten, Veranstaltungen oder Aktionen ein. Der Vorstand prüft die Gesuche jeweils genau, da es vor dem Hintergrund der beschränkten Finanzressourcen aber auch aus inhatlichen Gründen unmöglich ist, allen GesuchstellerIn-nen entgegenzukommen. Folgende Projekte konnte die DJS sowohl namentlich wie auch finanziell unterstützen:
Nationale Kundgebung (2005 und 2006) „wir sind die schweiz-ohne uns geht nichts “; „Frau-enrechte in Marokko und Algerien“, eine Veranstaltungsreiche des christlichen friedensdiens-tes cfd; street-soccer event auf dem Bundesplatz in Bern (sans-papiers, NEE) im Rahmen des Referendums gegen die Asylgesetz- und Ausländergesetzrevision; Handbuch zur recht-lichen Stellung von Schwulen und Lesben in der Schweiz (erscheint Ende 2006), Strafvertei-digerkongress 2006, Referendum Staatsschutzgesetz (BWIS – sog. HooliganG); Tagung von MERS zum Thema Karikaturenstreit sowie die Bundesgerichtsklage der Schweiz. Patienten-organisation SPO, bzw. die Berufungsklage der Präsidentin Margrit Kessler gegen ihre Ver-urteilung durch das St.Galler Kantonsgericht (Persönlichkeitsverletzung eines Chefarztes). Das Bundesgericht hat Ende Mai 2006 die Klage von Frau Kessler gutgeheissen (Weiterga-be von Informationen an die Medien). Zudem haben die DJS die breit abgestützte Südafrika-Klage gegen Konzerne und Banken mit-unterzeichnet.
Der Vorstand traf sich im Berichtsjahr zu vier Sitzungen, an dieser Stelle sei allen Vor-standsmitgliedern herzlich für ihr Engagement gedankt. Ebenfalls herzlich danken möchten wir dem Redaktionsteam von plädoyer für seine professionelle Arbeit.

An einer Veranstaltung von „augenauf“ in Basel konnten die DJS ihre kritische Haltung be-züglich der Einführung des biometrischen Passes darlegen. Mit diversen Stellungnahmen und Vernehmlassungen waren die DJS oder einzelne Mitglieder auch im Berichtsjahr immer wieder in den Medien präsent. Es zeigt sich aber, dass es schwierig ist, die Medienschaffen-den für juristische Themen begeistern zu können.
Neue Homepage: Die komplett neue Gestaltung der DJS-Homepage hat einige Zeit in An-spruch genommen und steht seit Ende Mai nun soweit im Internet bereit. Ein grosser Dank geht hier an Chr. Burkhard, der mit viel Kompetenz und Geduld die neue Website aufgebaut und gestaltet hat, alles auf der Basis von freier Software.

Die DJS haben sich auch im Berichtsjahr an verschiedenen Gesetzes-Vernehmlassungen beteiligt: Zwangsanwendungsgesetz bei Ausschaffungen, IV-Revisionen, Biometrischer Pass, Aufsicht über die Bundesanwaltschaft, Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention, Mietrechtsrevision, Netzwerkkriminalität.
Ausblick für das kommende Jahr: Abstimmung über AsylG und AuG vom 24. September (Inserate etc.); Diskussion BWIS (HooliganG), sofern das Referendum zustande kommt, Ver-wahrungsinitiative, Vereinheitlichung StPO, BWIS II Verschärfung des Staatsschutzgesetzes (Telefonabhörungen, grosser Lauschangriff, Einsätze von V-Leuten im Staatsschutzbereich).

Bern/Basel, 10. Juni 2006


Anhang zum Jahresbericht 2005/2006:
Umsetzung der lebenslänglichen Verwahrung
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates beantragt, der Vorlage zur Umsetzung der Volksinitiative betreffend lebenslängliche Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter zu-zustimmen. Sie setzte zudem die Beratung der neuen Strafprozessordnung fort.
Die Kommission stimmte mit 5 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen der Vorlage zur Umsetzung der Volksinitiative betreffend lebenslängliche Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter ( 05.081 ) zu und beantragt, die vom Bundesrat vorgesehenen Änderungen des Strafgesetz-buches - mit einer kleinen Präzisierung - anzunehmen. Sie unterstützt insbesondere die Re-gelung betreffend Prüfung der Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung (Art. 64c). Die Vorlage sieht diesbezüglich vor, dass die zuständige Behörde von Amtes wegen oder auf Gesuch hin prüft, ob neue, wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die erwarten las-sen, dass der Täter so behandelt werden kann, dass er für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Die Behörde muss sich bei ihrem Entscheid auf die Meinung einer neuen eid-genössischen Fachkommission stützen. Eine Kommissionsminderheit will, dass das Gesetz ausdrücklich festlegt, dass die Prüfung durch die zuständige Behörde, ob neue, wissen-schaftliche Erkenntnisse vorliegen, regelmässig zu erfolgen hat.
Bern, 31. Mai 2006

Mise en oeuvre de l'internement à vie
La commission des affaires juridiques du Conseil des Etats propose d'adopter le projet de mise en oeuvre de l'initiative populaire sur l'internement à vie pour les délinquants extrême-ment dangereux. Elle a par ailleurs poursuivi ses travaux sur le nouveau code de procédure pénale.
La commission a adopté par 5 voix et 2 abstentions le projet de mise en oeuvre de l'initiative populaire sur l'internement à vie pour les délinquants extrêmement dangereux ( 05.081 ) et propose de suivre, en y apportant une petite précision, les modifications du Code pénal pro-jetées par le Conseil fédéral. Elle soutient en particulier la réglementation proposée concer-nant l'examen de la libération de l'internement à vie (art. 64c). Le projet prévoit que l'autorité compétente examine, d'office ou sur demande, s'il existe de nouvelles connaissances scien-tifiques donnant à penser que l'auteur peut être traité de telle manière qu'il ne représente plus de danger pour la collectivité. L'autorité devra, lorsqu'elle prend sa décision, se baser sur l'avis d'une nouvelle commission fédérale spécialisée. Une minorité de la commission propose de préciser dans la loi que l'examen par l'autorité compétente de l'existence de nou-velles connaissances scientifiques soit entrepris périodiquement.
Berne, 31 mai 2006