Beobachtungen der djb zum Polizeieinsatz an der nationalen Palästina-Kundgebung vom 11.10.2025
Vorbemerkung, verfasst am 15.10.2025: Das Legal Team der Demokratischen Jurist*innen Bern begleitet Kundgebungen als Beobachter*innen. Ziel eines Beobachtungseinsatzes ist die Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte der Kundgebungsteilnehmer*innen und die Dokumentation allfälliger Vorfälle. Die Stellungnahme der djb vom 12. Oktober 2025 wurde aus dieser Perspektive verfasst und äussert sich daher nicht zu Inhalten der Kundgebung oder den Ausschreitungen seitens Demonstrierenden.
Medienmitteilung, verschickt am 12.10.2025:
Beobachtungen der djb zum Polizeieinsatz an der nationalen Palästina-Kundgebung vom 11.10.2025
Am 11. Oktober 2025 fand die nationale Solidaritätskundgebung für Palästina in Bern statt. Die Demokratischen Jurist*innen Bern (djb) waren von Beginn bis zur Auflösung der Demonstration mit einem 5-köpfigen Beobachtungsteam vor Ort.
Die DJB sagen zum beobachteten Polizeieinsatz: “Das Legal Team der Demkratischen Jurist*innen Bern konnte an der Kundgebung vom 11.10.2025 teilweise einen Einsatz von polizeilichen Zwangsmitteln beobachten, der unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit sehr kritisch zu betrachten ist.”
Es ist vorab zu bemerken, dass es in vielen kritischen Situationen für die djb nicht möglich war, genügend nah an das Geschehen heranzukommen, um Einblick in die jeweilige Situation zu erhalten. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Zwangsmitteln in der Amtshausgasse und für die Einkesselung in der Schauplatzgasse. Die Beobachtenden wurden durch die Polizei immer wieder weggeschickt und teilweise auch physisch zurückgedrängt. Ein ähnliches Verhalten der Polizei konnte teilweise auch gegenüber Medienschaffenden beobachtet werden. Zusätzlich wurden Polizeifahrzeuge als Sichtschutz positioniert, sodass auch aus grosser Distanz keine Beobachtung möglich war.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine sehr unübersichtliche Situation entstand, insbesondere sobald sich der Demonstrationszug durch die Schauplatzgasse Richtung Bahnhof bewegte, wobei zwischen zwischen klar an der Auseinandersetzung beteiligten und davon zu unterscheidenden/übrigen Demonstrierenden und unbeteiligten Passant*innen kaum mehr unterschieden werden konnte.
Ab ca. 16:15 Uhr kam es zu einem massiven Einsatz von Zwangsmitteln. Namentlich in der (engen) Amtshausgasse und in der Schauplatzgasse wurden zahlreiche Zwangsmittel beobachtet - darunter Wasserwerfer, Gummischrot, Gummigeschosse, Schlagstöcke, Pfefferspray und Polizeihunde. Es konnte beobachtet werden, wie Wasserwerfer mehrfach vom “Loebegge” aus quer über den ganzen Bahnhofplatz eingesetzt wurden, wobei vom Wasser auch friedliche Demonstrierende sowie vollständig unbeteiligte Personen getroffen wurden. Es ist ausserdem davon auszugehen, dass das Wasser mind. teilweise mit Reizstoffen versetzt war, da viele der umstehenden Personen eine Husten- und/oder Tränenreaktion zeigten und auch Menschen vom Beobachtungsteam diese Reizwirkung spürten. Der Einsatz von Gummigeschossen geschah teilweise ohne vorgängige Ankündigung, aus einer Distanz von nur wenigen Metern sowie über Hüft- bzw. teilweise klar ersichtlich auf Kopfhöhe. Die djb konnten beobachten, wie mehrere Personen durch Gummigeschosse getroffen und verletzt wurden, teilweise auch am Kopf und im Gesicht. Zu den Verletzten gehörten nicht nur Demonstrant*innen, sondern auch unbeteiligte Passant*innen. Es wurde zudem eine Situation beobachtet, in welcher eine Person durch Einsatz des Wasserwerfers im Auge verletzt wurde, im Anschluss jedoch von den Polizist*innen nicht durchgelassen wurde, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten.
Um ca. 17 Uhr befanden sich neben den Demonstrierenden, welche sich auf eine direkte Konfrontation mit der Polizei einliessen, auch eine grosse Anzahl an unbeteiligten Personen sowie friedlichen Demonstrierenden in der Einkesselung in der Schauplatzgasse. Nach der Aufforderung der Polizei, die Demonstration zu verlassen, liess die Polizei während eines sehr kurzen Zeitfensters gemäss Beobachtungen ca. 50 Personen passieren. Den djb wurde allerdings berichtet, dass es nicht allen Personen erlaubt oder möglich war, die Einkesselung zu verlassen. Es ist daher unklar, wie sich die Personengruppe, welche im Anschluss während bis zu zwölf Stunden in der Schauplatzgasse eingekesselt blieb, genau zusammensetzte und ob sich darunter auch Personen befanden, welche die Demonstration bereits nach Aufforderung der Polizei verlassen wollten. Schliesslich wurde berichtet, dass die Personen im Polizeikessel erst nach längerer Zeit Tee erhalten hätten. Es sei jedoch nicht erlaubt gewesen, die betroffenen Personen trotz Temperaturen um 7 Grad und nach längerem Einsatz eines Wasserwerfers von ausserhalb mit Decken zu versorgen.
Insgesamt sind die djb über den massiven Einsatz von polizeilichen Mitteln bestürzt und stellen die Grundrechtskonformität des Einsatzes - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit der eingesetzten Mittel - teilweise in Frage.