Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (djb) unterstützen die Forderungen der Gruppe «Stopp Isolation»
Ende letzter Woche veröffentlichte die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern unter dem Titel «Forderungen der Gruppe ‹Stopp Isolation›: Undemokratisch und unsolidarisch» eine Medienmitteilung. Die djb stellen sich hinter die Forderungen der Bewohner*innen der neuen Rückkehrzentren und verurteilen die mit dem Labeling «undemokratisch» und «unsolidarisch» vorgenommene behördliche Diskreditierung des Protests.
Das Recht auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsäusserungsfreiheit sind grund- und menschenrechtlich geschützt – eine Auseinandersetzung mit den Grundrechten der Betroffenen lassen aber sowohl die Medienmitteilung als auch das Schreiben des ABEV in der dazugehörenden Mediendokumentation vermissen. Dies gilt jedoch nicht «nur» für den formalen Umgang mit den von den Betroffenen zum Ausdruck gebrachten Forderungen, sondern auch für deren inhaltliche «Beantwortung». Deshalb haben sich die djb erlaubt, dem zuständigen Regierungsrat Müller sowie dem Amt für Bevölkerungsdienste (ABEV) eine ausführliche rechtliche Würdigung der in den Rückkehrzentren geltenden Anwesenheits- und Übernachtungspflicht – deren Aufhebung von der Gruppe «Stopp Isolation» gefordert wird – zukommen zu lassen.
Nach der seit dem 1. März 2020 geltenden – im Internet bisher nicht veröffentlichten – «Nothilfe- und Gesundheitsweisung (Nothilfeweisung)» müssen sich die Bewohner*innen eines Rückkehrzentrums an sieben Tagen und Nächten pro Woche in der Unterkunft aufhalten. Bei einem einmaligen Verstoss (Abwesenheit von maximal zwei Tagen/Nächten) wird ein Verweis erteilt. Wer danach innerhalb von sechs Monaten erneut gegen die Aufenthalts- und Übernachtungspflicht verstösst (Abwesenheit von einem Tag/einer Nacht), wird umgehend beim ABEV abgemeldet. Wer drei oder mehr Tage/Nächte abwesend ist, wird ohne Verwarnung direkt abgemeldet. Mit der Abmeldung erlöscht der Anspruch der betroffenen Person auf Nothilfeleistungen. Nach Ansicht der djb stützt sich diese Regelung mit der blossen Verankerung in einer Weisung einer kantonalen Direktion aber auf eine ungenügende gesetzliche Grundlage und verletzt damit das Legalitätsprinzip. Darüber hinaus ist im übergeordneten Gesetz keine Delegationsnorm ersichtlich, welche dem ABEV in diesem Punkt die Kompetenz zur legislativen Tätigkeit übertragen hätte, weshalb mit der Einführung der Anwesenheits- und Übernachtungspflicht zudem das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt wurde. Weiter stellt die Massnahme resp. die Sanktionierung der Nichteinhaltung einen unzulässigen Eingriff auf das Recht auf Hilfe in Notlagen dar und steht – je nach Konstellation – im Widerspruch zu verfassungsmässig geschützten Freiheitsrechten wie dem Recht auf Bewegungsfreiheit, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Glaubens- und Gewissensfreiheit oder der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.
Insgesamt qualifizieren die djb die Anwesenheits- und Übernachtungspflicht als verfassungswidrig und nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, weshalb die djb – neben den übrigen Forderungen der Betroffenen – die Forderung nach der Aufhebung der Anwesenheits- und Übernachtungspflicht in den Rückkehrzentren unterstützen. Sollte die Anwesenheits- und Übernachtungspflicht weiter durchgesetzt werden, sind die djb gerne bereit, Betroffene bei der Beschwerdeführung gegen die entsprechende Regelung zu unterstützen und so immerhin den Zugang zur höchstrichterlichen Überprüfung der Verfassungsmässigkeit zu ermöglichen, denn alle haben ein Recht auf Rechte – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.