B.B.
Legal Centre Lesvos
B. B. verlor sein Leben in Bodrum, Türkei, nachdem er von der griechischen Insel Kos zurückgeschoben worden war. Aussagen von Zeug:innen, die vor den Pushbacks zusammen mit B. B. in Griechenland festgehalten wurden, lassen darauf schliessen, dass er sein Leben aufgrund von Folter (Schläge, Elektroschocks) während seiner Inhaftierung durch die griechischen Behörden verlor.
Geschehnisse
Die türkische Grenzwache entdeckte am 22. Oktober 2022 ein Rettungsboot in den Gewässern der Ägäis zwischen der Küste von Bodrum, Türkei, und der Insel Kos, Griechenland. An Bord des Rettungsbootes befanden sich fünfzehn palästinensische Flüchtlinge sowie ein türkischer Staatsbürger, B.B.. Letzterer war nur halb bei Bewusstsein. Er schaffte es knapp, die türkischen Beamten nach Wasser zu fragen. Kurz darauf fiel er in Ohnmacht. Als das Rettungsboot mithilfe der türkischen Grenzwache schliesslich an Land ankam, war er bereits tot. Eine Autopsie sollte später die eindeutigen Folterspuren bestätigen, die sein Körper aufwies.
B.B. war zum Zeitpunkt seines Todes 30 Jahre alt und kurdischer Abstammung. Er war in der türkischen Stadt Izmir geboren und aufgewachsen und Ende September in Griechenland angekommen. B.B. hatte vor, nach Frankreich zu reisen, um dort Asyl zu beantragen. Um nicht schon in Griechenland registriert zu werden, vermied er den Kontakt mit den Behörden und versteckte sich bis zu seiner geplanten Weiterreise in Kos im Haus eines Freundes. Er blieb regelmässig in Kontakt mit seiner Familie, doch plötzlich hörten die Anrufe auf.
Nur dank den Aussagen der palästinensischen Flüchtlinge konnten die nachfolgenden Geschehnisse rekonstruiert werden. Diese erzählten, dass sie bei ihrer Ankunft auf Kos am 21. Oktober 2022 von mehreren mit Sturmhauben vermummten und mit Gewehren, Stöcken und Taschenlampen ausgestatteten Personen abgefangen worden waren. Sie wurden mit Handschellen gefesselt. Nachdem man ihnen die Augen verbunden hatte, wurden sie mit Stöcken geschlagen und in einem Fahrzeug zu einem Gebäude gebracht. Dabei handelte es sich um eine aussergerichtliche Haftanstalt. Die Existenz solcher Einrichtungen war bereits durch mehrere journalistische Untersuchungen bestätigt worden.
Die palästinensischen Flüchtlinge beschrieben, dass sie in einen Raum gebracht worden seien, von wo aus sie die Schreie von B.B. aus dem Nebenzimmer hörten. Dieser sei verhaftet worden, als er eine Fähre nach Athen bestiegen habe. B.B. sei die ganze Nacht lang mit grosser Gewalt gefoltert worden. Sie hörten nicht nur die Schläge und Schreie, sondern auch die Geräusche eines Elektroschockgerätes.
Am nächsten Morgen wurden die palästinensischen Flüchtlinge zusammen mit B.B. auf ein Boot der griechischen Küstenwache verladen, um danach auf offener See in einem aufblasbaren Rettungsboot ausgesetzt zu werden.
Verfahren
Die durch die Autopsie belegten Verletzungen von B.B. stimmten mit den Zeugenaussagen überein. Alle acht Gerichtsmediziner kamen einstimmig zum Schluss, dass B.B.’s Tod auf die erlittene Folter zurückzuführen war, wobei jede andere Todesursache ausgeschlossen werden konnte.
Die ermittelnde Staatsanwaltschaft beantragte Rechtshilfe von Griechenland. Während langer Zeit sind die an Griechenland überwiesenen Akten jedoch nie offiziell bei den griechischen Behörden angekommen. Die Anwält:innen welche die Familie von B.B. unterstützen, befürchteten, dass keiner der beiden Staaten den Fall ernsthaft untersuchen und die schuldigen Personen zur Rechenschaft ziehen will.
Nach monatelangen erfolglosen Anfragen beim griechischen Aussenministerium ist es dem Legal Centre Lesvos am 12. Dezember 2023 schliesslich gelungen, die Akte von B.B. aufzufinden. Diese wurde nun an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Menschenrechtsorganisationen haben zahlreiche Zeugenaussagen von illegal aus Griechenland abgeschobenen Migrant:innen gesammelt, welche den griechischen Behörden übermässige Gewalt und Misshandlungen vorwerfen.
Unterstützung durch den PBLF
Beitrag an die Notariatskosten sowie an Reisekosten für Zeug*inneneinvernahmen.