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17. Oktober 2024

Vernehmlassung 2024/62 zur 23.403 Pa. Iv. SiK-N Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (KMG)

hier finden Sie die eingereichte Vernehmlassung als pdf

1. Zusammenfassende Beurteilung

Die Demokratischen Jurist*innen Schweiz lehnen die vorliegende Vorlage zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes ab. Die Vorlage würde zu gravierenden Schlupflöchern im Kriegsmaterialgesetz führen, die zur Folge hätten, dass Schweizer Kriegsmaterial in Länder geliefert werden könnte, in denen Menschenrechte schwerwiegend und systematisch missachtet werden.

Im Laufe der 2000er-Jahre kam es immer wieder zu Vorfällen, bei denen Schweizer Kriegsmaterial in Kriegsgebieten auftauchte, oft in den Händen von radikalen Rebellengruppen. In der Folge kam es auf Druck der Öffentlichkeit, aber auch der Geschäftsprüfungskommissionen, zu punktuellen Anpassungen der Kriegsmaterialverordnung und des Kriegsmaterialgesetzes. Seither sucht die Rüstungsindustrie nach Möglichkeiten, um die Exportbestimmungen insbesondere für Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien wieder abzuschwächen. Die vorliegende parlamentarische Initiative öffnet so viele neue Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten, dass der Verdacht nahe liegt, dass die Motivation für die Vorlage nicht die Unterstützung der Ukraine ist, sondern dass es ein weiterer Versuch ist, wieder einen Verkaufskanal in den lukrativen Rüstungsmarkt der Golfstaaten zu öffnen.

Hinzu kommt, dass die Vorlage zentrale Errungenschaften der Korrektur-Initiative rückgängig machen würde, die die demokratische Kontrolle über Rüstungsexporte stärkte.  Mit den neuen Bestimmungen würde diese Kontrolle deutlich geschwächt, da weder das Parlament noch der Bundesrat die Möglichkeit hätten, Einfluss auf die Endempfänger von Kriegsmaterial zu nehmen. Stattdessen würde diese Kompetenz vollständig an die Regierungen von Abnehmerstaaten delegiert.

2. Abschwächung der Exportbestimmungen

2.1 Eigenständige Interpretation von Exportkriterien

Nichtwiederausfuhr-Erklärungen sollen verhindern, dass Kriegsmaterial aus der Schweiz indirekt über einen Empfängerstaat an eine Kriegspartei geliefert wird. Heute muss ein Staat aktiv die Zustimmung der Schweiz einholen, um Kriegsmaterial weitergeben zu dürfen. Mit der aktuellen Vorlage soll die Nichtwiederausfuhr-Erklärung für Anhang-2-KMV-Staaten nach fünf Jahren automatisch hinfällig werden.

In Art. 18 Abs. 3 lit. a-c nKMG werden Kriterien festgelegt, die die Aufhebung einer Nichtwiederausfuhr-Erklärung nach fünf Jahren für Empfängerstaaten regeln sollen. Die Erklärung fällt weg, wenn sich ein Abnehmerstaat von Schweizer Kriegsmaterial dazu verpflichtet hat, diese Kriterien bei einer Weitergabe einzuhalten.

Dabei wird unter lit. a geregelt, dass Kriegsmaterial nicht an Staaten weitergegeben werden darf, die an einem internationalen oder internen Konflikt beteiligt sind, ausser der Empfängerstaat macht von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch. Die Einschätzung, ob dieses Kriterium erfüllt ist, soll an den Empfängerstaat von Schweizer Kriegsmaterial delegiert werden. Da alle Konfliktparteien immer das Recht auf Selbstverteidigung für sich in Anspruch nehmen und kein Staat, der Waffen weiterliefern möchte, das in Abrede stellen wird, ist dieses Kriterium keine relevante Hürde. Aufgrund der Aussagen des britischen Aussenministeriums im Zusammenhang mit Angriffen auf saudische Ölfelder durch Akteure aus Jemen ist beispielsweise anzunehmen, dass die britische Regierung sich auf den Standpunkt stellen würde, dass Lieferungen an Saudi-Arabien erlaubt wären, da der Golfstaat sein Recht auf Selbstverteidigung wahrnimmt.

Mit dem Vorliegen einer Uniting-for-Peace-Resolution der UNO-Vollversammlung würde ein objektiver Massstab für dieses Kriterium existieren. So wäre die Weitergabe an Staaten, welche ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen, möglich, ohne dass dabei die Tür zur Weitergabe von Kriegsmaterial in Staaten, die in gravierende Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, geöffnet wird. Bemängelt wird im erläuternden Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission, dass das Vorliegen einer Uniting-for-Peace Resolution keine international etablierte Praxis sei. Dieses Instrument ist jedoch genau für den Fall vorgesehen, in dem der UN-Sicherheitsrat seine Verantwortung für die internationale Sicherheit nicht wahrnehmen kann, was im Falle der Ukraine gegeben ist. Diese Argumentation ist für die Demokratischen Jurist*innen Schweiz deshalb nicht nachvollziehbar.

Weiter wird in Art. 18 Abs. 3 lit. b und c nKMG festgehalten, dass keine Weitergabe an Drittstaaten möglich sein soll, in denen Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt werden oder ein Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. Die Einschätzung, wann schwerwiegende oder systematische Menschenrechtsverletzungen vorliegen, soll der Empfängerstaat ebenfalls selbst treffen. Am Beispiel von Saudi-Arabien lässt sich gut aufzeigen, dass mit Annahme dieser Bestimmung Schweizer Kriegsmaterial in Staaten landen kann, die die Schweiz selbst nicht beliefern würde.

Grafic

Abbildung 1: Empfängerstaaten von Exporten aus Anhang-2-KMV Länder

Abbildung 1 zeigt eine Liste der Empfängerstaaten von Exporten aus Anhang-2-Staaten (Nicht-Anhang-2-Staaten sind rot markiert). Diese Grafik zeigt deutlich auf, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Staaten im Anhang 2 die Werte der Schweiz bezüglich Kriegsmaterialexporte teilen. Viele Anhang-2-Staaten exportieren Kriegsmaterial in Länder, welche die Schweiz nicht beliefern würde, darunter Saudi-Arabien, Israel, die Türkei oder Ägypten. Die EU-Mitgliedsstaaten dürften gemäss der Common Position 2008/944/GASP keine Waffenexporte erlauben, wenn die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen besteht. Dennoch haben Länder wie Frankreich, Grossbritannien und Deutschland seit 2017 fast 2‘000 Exportbewilligungen im Wert von über 12 Milliarden Euro für Saudi-Arabien genehmigt – trotz dokumentierter Kriegsverbrechen Saudi-Arabiens im Jemen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass diese Staaten das in der Parlamentarischen Initiative vorgesehene Menschenrechts-Kriterium anders auslegen würden wie die Common Position.

Die obenstehenden Ausführungen zeigen auf, dass die Verlagerung der Entscheidung der Weitergabe von Kriegsmaterial nach Wegfall der Nichtwiederausfuhr-Erklärung zu den Empfängerstaaten von Schweizer Kriegsmaterial zu einem erheblichen Kontrollverlust über die Endempfänger führen würde. Zudem müsste gemäss dem aktuellen Vorschlag der Empfängerstaat die Schweiz nach fünf Jahren über eine Weitergabe nicht nur nicht konsultieren, sondern nicht einmal mehr informieren, was den Kontrollverlust zusätzlich verstärken würde.

2.2 Umgehungsgeschäfte

Neben der Interpretationsfreiheit der Bedingungen für die Weitergabe gibt es einen weiteren Aspekt, der die vorgesehenen Kriterien für die Aufhebung der Nichtwiederausfuhr-Erklärung durch Empfängerstaaten beinahe hinfällig macht. Die Kriterien müssen nämlich nicht an Drittstaaten übertragen werden. Ein Drittstaat, der Schweizer Kriegsmaterial von einem Anhang-2-Staat erhält, kann frei darüber verfügen. So würde es mit der vorliegenden Gesetzesänderung möglich, Kriegsmaterial über Zwischenhändler an beliebige Staaten zu liefern. Solche Umgehungsgeschäfte sind im Rüstungsgeschäft häufig. In ihrem erläuternden Bericht hat sich die sicherheitspolitische Kommission aufgrund der «Unmöglichkeit, diese Bedingungen durchzusetzen» gegen die Übertragung gesetzlicher Kriterien für die Drittstaaten ausgesprochen. Es gibt jedoch keinen Grund zur Annahme, dass die Übertragung der Kriterien nicht genauso durchsetzbar wäre wie die heutigen Nichtwiederausfuhrbewilligungen. Mit dem Verzicht auf die Übertragung wird bewusst die Möglichkeit für beliebige Umgehungsgeschäfte geöffnet.

2.3 Wirkungslose Fünfjahresfrist

Da die Fünfjahresfrist mit dem Ausstellen der Nichtwiederausfuhr-Erklärung beginnt, können Firmen bei langfristigen Verträgen einkalkulieren, dass die Frist bei der Lieferung des Kriegsmaterials bereits abgelaufen ist. Es ist keine Seltenheit, dass Rüstungsbeschaffungen ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung länger als fünf Jahre dauern.  Für viele solche Geschäfte wäre die Nicht-Wiederausfuhrerklärung für Anhang-2-Staaten praktisch nicht mehr existent. Die Frist wäre damit und insbesondere mit der Rückwirkungsklausel gar nicht mehr wirksam.

3. Die Vorlage im Kontext der Wiederausfuhr von Waffen in die Ukraine

Die verschiedenen Lockerungsversuche des Kriegsmaterialgesetzes in den letzten zwei Jahren haben sich im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ereignet. Ein häufig genanntes Argument war, dass die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen die Unterstützung der Ukraine beim Wahrnehmen ihres Selbstverteidigungsrechts verhindere. Dabei ist unverständlich, dass der Vorschlag nach Aufhebung der Nicht-Wiederausfuhrerklärung bei Vorliegen einer Uniting-for-Peace-Resolution der UNO-Vollversammlung verworfen wurde, die lange als aussichtsreiche Kompromisslösung galt, um bei der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial eine Ausnahme zuzulassen. Entgegen den Darstellungen im Bericht der Subkommission, wurde verschiedentlich die Vereinbarkeit dieser Lösung mit dem Schweizer Neutralitätsrecht dargelegt. Eine Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine könnte somit auf Grundlage des Völkerrechts und in Einklang mit der Neutralität erreicht werden, ohne dass Schweizer Kriegsmaterial-Exporte in diverse Konfliktregionen ermöglicht würden. Stattdessen wird mit dieser Gesetzesänderung die Interpretationshoheit an Staaten übertragen, welche in vielen Fällen weder die Werte noch die aussenpolitischen Ziele der Schweiz teilen.  Mit der Umgehung einer aktiven Entscheidung durch die Behörden, in welchen Fällen Kriegsmaterial weitergegeben werden darf, soll die Neutralität gewährleistet werden. Dabei wird ein erheblicher Kontrollverlust über die Endempfänger von Kriegsmaterial in Kauf genommen, der mit einer Lösung auf Basis des Völkerrechts vermieden werden könnte.

4. Die Vorlage im Kontext der Korrektur-Initiative

Bis zum 4. September 2024 lief eine weitere Vernehmlassung für eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes. Dabei geht es um eine Abweichungskompetenz für den Bundesrat, nach welcher er bei Bewilligungen von Kriegsmaterialexporten von den geltenden Bestimmungen unter Art. 22a Abs. 2 KMG abweichen darf, wenn «ausserordentliche Umstände» dies anzeigen würden. Bereits damit würde Sinn und Zweck der Korrektur-Initiative torpediert, nämlich die demokratische Kontrolle von Kriegsmaterialexporten. Mit der vorliegenden Gesetzesänderung zur Nicht-Wiederausfuhr würde sich die Unterminierung dieser Initiative weiter verstärken. Bundesrat und Parlament hätten keinerlei Einfluss auf die Endempfängerstaaten von Schweizer Rüstungsgütern und erlitten damit einen erheblichen Kontrollverlust, was dem Ziel nach demokratischer Kontrolle diametral entgegensteht. Diese Kompetenz würde an Regierungen von Empfängerstaaten delegiert.

Es ist daher höhnisch, wenn im erläuternden Bericht geschrieben wird: «Die Kommissionsmehrheit ist nämlich der Ansicht, dass das Kriegsmaterialgesetz nur zwei Jahre nach seiner Verschärfung als Reaktion auf die «Korrektur-Initiative» nicht unverhältnismässig abgeschwächt werden darf.» (S. 15). Denn genau das passiert mit beiden Vernehmlassungsvorlagen. Dies bestätigt auch der Satz auf Seite 23 im erläuternden Bericht: «Durch die zeitliche Befristung der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen könnten die wichtigsten Partner der Schweiz beschwichtigt und der Erosion der STIB entgegengewirkt werden.» Dies lässt darauf schliessen, dass die Lockerung bewusst so konzipiert wurde, dass weitere Lieferungen möglich sind und es letztlich nicht primär um Weitergaben an die Ukraine geht. Wie so oft werden dabei die humanitären Verpflichtungen der Schweiz hinter die wirtschaftlichen Interessen der Rüstungsindustrie gestellt.

Ein weiteres Ziel der Korrektur-Initiative war es, klare und verbindliche Kriterien für die Ausfuhr von Kriegsmaterial zu definieren. Mit den schwammigen Bestimmungen, die in dieser Änderung vorgeschlagen werden, werden die Kriterien aufgeweicht. Wie oben beschrieben, öffnet dies Tür und Tor für Umgehungsgeschäfte und lockere Interpretationen der Bedingungen für die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial. Im Bericht wird auch ein Kontrollverlust eingeräumt: «Die Kommissionsmehrheit ist sich bewusst, dass diese Variante einen gewissen Kontrollverlust für die Schweiz mit sich bringt. Für sie ist dieser Kontrollverlust aber vertretbar, da die Staaten in Anhang 2 der Kriegsmaterialverordnung über ähnliche Exportkontrollregime verfügen und den gleichen Werten wie die Schweiz verpflichtet sind.»

5. Unklare Kriterien für Anhang-2-Liste

Dies bringt uns zum nächsten Problem: Die Liste der Anhang-2-Staaten wurde – wie im Bericht geschrieben – seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr aktualisiert. Der Anhang 2 der Kriegsmaterial-Verordnung listet eine Reihe von Staaten auf, für die gewisse punktuelle Erleichterungen bei den Bewilligungsprozessen möglich sind. Bisher hatte dieser Anhang bei weitem nicht die Bedeutung, die er neu bekommen würde. Der Bundesrat kann diese Liste beliebig anpassen, das Gesetz sieht keine Bedingungen dafür vor. Die Regierungen von Staaten wie Ungarn oder Argentinien teilen die Werte und humanitären Ziele der Schweiz nicht. Die mangelnde Regelung bedeutet, dass der Bundesrat unter Druck gesetzt werden könnte, die Liste allenfalls um einige Staaten zu verlängern, die sonst drohen, kein Kriegsmaterial mehr aus der Schweiz zu beschaffen.

6. Internationales Recht

Die Übergangsbestimmung, die in Art. 46 Abs. 3 nKMG den Umgang mit bereits bestehenden Nichtwiederausfuhr-Erklärungen regeln soll, ist ein Verstoss gegen das Neutralitätsrecht. Die Haager Konventionen sehen vor, dass neutrale Staaten die Regeln für Kriegsmaterialexporte im Lauf eines bewaffneten Konflikts nicht ändern sollten. Obwohl die Präambel unverbindlicher Natur ist, dient sie der Darstellung der eigentlichen Absicht und Zwecke der Urheber der Haager Konventionen. Derzeit droht die regelbasierte internationale Ordnung immer mehr zu erodieren. Umso mehr sollte die Schweiz sich an die völkerrechtlichen Regeln halten.

In der Vorlage soll zudem aufgrund von «neutralitätspolitischen» Überlegungen vermieden werden, dass Behörden aktiv von Fall zu Fall bezüglich der Weitergabe von Kriegsmaterial entscheiden müssen. Wie bereits ausgeführt, birgt dieser Automatismus grosse Risiken, dass Kriegsmaterial in Länder geraten könnte, die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen.

Aus dem Neutralitätsrecht ergibt sich jedoch kein Zwang zu einem solchen Automatismus. Art. 9 des Haager Abkommens betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs schreibt vor, dass die Schweiz alle Regeln für Kriegsmaterial-Ausfuhren auf alle Kriegsparteien gleichmässig anwenden muss. Es ist fraglich, ob die Verwendung einer Länderliste den Anforderungen der Haager Konventionen entspricht. Eine Regel für Ausnahmen bei Nichtwiederausfuhr-Erklärungen, welche auf dem Uniting-for-Peace-Verfahren basiert, könnte die Schweiz jedoch auf beide Kriegsparteien gleichmässig anwenden.

Vor diesem Hintergrund ist aus einer humanitären Perspektive auf diesen Automatismus zu verzichten und sich in einer Vorbildrolle für die Stärkung der völkerrechtlichen Abkommen in der Rüstungskontrolle einzusetzen. Gerade die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen steht hierbei in einer besonderen Verantwortung.

7. Die Rolle der Schweiz im europäischen Kontext

Typischerweise geben westliche Staaten die Kontrolle über ihre Rüstungsexporte nicht ab. Die vorliegende Parlamentarische Initiative unterminiert die Bestrebungen der Schweiz im Rahmen des UN Arms Trade Treaty (ATT), indem der Vorschlag die Verantwortung für die Risikoanalyse von Waffenexporten an Drittstaaten ausgelagert wird und keine Kontrolle mehr möglich ist. Gleichzeitig bettet sich der Vorschlag in eine besorgniserregende gesamteuropäische Entwicklung ein. Überall versuchen Rüstungskonzerne, die Exportbeschränkungen innerhalb Europas zu unterminieren und Exporte über das Land mit den geringsten Einschränkungen abzuwickeln. Aufgrund ihrer Neutralität und ihrer humanitären Tradition sollte die Schweiz diesen Entwicklungen entgegenwirken, anstatt sie mit solchen Lockerungen zu begünstigen.

Schliesslich ist festzuhalten, dass die Unterstützung der Ukraine durch die Schweiz aus humanitärer Perspektive ein zentrales Anliegen sein sollte. Dabei liegt der Hebel der Schweiz als militärisch neutrales Land in erster Linie bei der zivilen Unterstützung der Ukraine - sei es im finanziellen, humanitären oder diplomatischen Bereich.

8. Fazit

Die Änderung des KMG auf Grundlage der Parlamentarischen Initiative 23.403 enthält gravierende Schlupflöcher, die Kriegsmaterialexporte in Staaten erlauben würden, die die Schweiz aktuell, zum Beispiel aufgrund der Menschenrechtslage, nicht beliefern dürfte, beispielsweise Saudi-Arabien. Das steht im Widerspruch zu den humanitären Werten, welche die Schweiz in ihrer Aussen- und Sicherheitspolitik vertritt. Zudem würde durch die Befristung und den automatischen Wegfall der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen die demokratische Kontrolle über Kriegsmaterialexporte bedeutend schwächen, die vor nur zwei Jahren mit der Korrektur-Initiative erreicht wurde. Weil die Bedingungen für die Weitergabe auch nicht an Drittstaaten übertragen würden, öffnet diese Vorlage Tür und Tor für Umgehungsgeschäfte, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Exportbedingungen stehen.

Die Demokratischen Jurist*innen Schweiz sind überzeugt, dass die Rolle der Schweiz als militärisch neutraler Staat in erster Linie in der zivilen Unterstützung und im Wiederaufbau der Ukraine liegt. Im Kontext der militärischen Unterstützung der Ukraine hat sich aus den vergangenen Parlamentsdebatten gezeigt, dass mit dem Uniting-for-Peace-Verfahren eine Lösung existiert, die auf eng und klar gefassten Bedingungen auf Basis des Völkerrechts eine Weitergabe von Kriegsmaterial erlauben würde, ohne Tür und Tor für Waffenexporte in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen zu öffnen. Die vorliegende Gesetzesänderung ist deshalb abzulehnen, da sie gerade im Kontext der Diskussion rund um die Unterstützung der Ukraine am Ziel vorbeischiesst und in erster Linie eine generelle Lockerung des Exportregimes zugunsten von wirtschaftlichen Interessen der Rüstungsindustrie verfolgt, die im Widerspruch zu einer humanitären Perspektive steht.