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12 avril 2023

Wirksames Vorgehen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Eine Forderung des feministischen Streiks 2023!

Am 14. Juni 2023 werden wir unsere feministischen Forderungen auf der Strasse geltend machen!

Um in der Schweiz die Rechtmässigkeit eines Streiks festzulegen, hat das Bundesgericht vier besonders strenge Kriterien bestimmt:

  1. Beim Streik muss es um Arbeitsbeziehungen gehen, es muss sich also um Fragen handeln, die durch einen Gesamtarbeitsvertrag geregelt werden können;

  2. der Streik muss den Verpflichtungen, dass der Arbeitsfrieden bewahrt oder ein Schlichtungsverfahren angestrengt wird, entsprechen;
  3. er muss das Proportionalitätsprinzip befolgen; und

  4. er muss durch eine Organisation von Arbeiterinnen und Arbeitern unterstützt werden.[1]

Trotz des einschränkenden juristischen Rahmens erfüllen viele der feministischen Forderungen am Arbeitsplatz diese Kriterien.

Wir denken zum Beispiel ans Bereitstellen von Stillräumen, an die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, oder an internes Vorgehen gegen Lohndiskriminierungen. 

Eine andere Frage scheint besonders angebracht, einen rechtmässigen Streik zu rechtfertigen: Die Forderung nach einem Regelungsrahmen innerhalb der Unternehmen um sexuelle Belästigungen zu bekämpfen.

Denn obwohl die Unternehmerinnen und Unternehmer rechtlich dazu verpflichtet sind, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Persönlichkeit und Gesundheit ihres Personals zu schützen (Art. 4 GIG, Art. 328 Abs. 1 OR und Art. 6 ArG), geschieht es nur zu oft, dass in diesem Zusammenhang im Falle einer Anschuldigung die betroffene Person ungenügend über das mögliche Vorgehen informiert ist, wie auch über dessen Folgen. Die fehlende Transparenz erzeugt ein Gefühl der Unsicherheit, welches die Opfer von sexueller Belästigung nicht dazu ermutigt, die Fakten anzuprangern, weil sie die Konsequenzen fürchten.

In einem am 27. April 2022 veröffentlichtem Bericht bestätigt der Bundesrat, dass juristische Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz selten ergriffen werden. Wenn die Opfer die Belästigungen ansprechen, besteht oft die Gefahr, dass sie von ihren Kollegen gemobbt werden. Oft erstatten die Opfer erst Anzeige, wenn die Belästigungen absolut unerträglich geworden sind, oder wenn sie krankheitsbedingt nicht am Arbeitsplatz sind oder gekündigt haben.[2] 

Solange es keine umfassendere Regulierungen gibt, müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, um ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, klare, ordnungsgemäss veröffentlichte und allen zugängliche Vorgehensweisen einführen sowie ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Die kantonalen Arbeitsaufsichtsbehörden sind sich einig in der Meinung, dass diese Bedingungen notwendig sind, um die einzelnen Situationen beizeiten zu erfassen und in angemessener Weise anzugehen[3].

Im Hinblick auf den 14. Juni könnte jede Gruppe von Arbeiterinnen ihre Arbeitgeber*innen auf bestehende interne Hindernisse in Fragen der sexuellen Belästigung hinweisen, damit wirksame Vorgehensweisen erarbeitet werden können.

Dieses Vorgehen gilt auch für die anderen feministischen Forderungen, die direkt bei den Arbeitsgeber*innen in der Schweiz geltend gemacht werden können. Mehrere Gewerkschaften sind dabei, im Hinblick auf den 14. Juni Listen der sektoriellen Forderungen zu erstellen. 

Zum Schluss sei daran erinnert, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist, das es ein Werkzeug im kollektiven Kampf ist und einer demokratischen Ausdrucksform entspricht.

Clémence Jung,
Valerie Debernardi, AJP Genève

[1] Bundesgericht – 4A_64/2018, Beschluss vom 17.12.2018, c.4.3.

[2] Sexuelle Belästigung in der Schweiz : Ausmass und Entwicklung, 27. April 2022, Bericht des BR in Erfüllung des Postulats 18.4048 Reynard Mathias vom 28. September 2018.

[3] Für ein konkretes Beispiel, siehe le règlement-type de la Conférence romande et tessinoise des offices cantonaux de protection des travailleurs et la Conférence latine des délégués à l’égalité entre femmes et hommes.