Polizeieinsatz vom 1. Mai 2023
Die Polizei stoppte kurz nach Beginn den bewilligten traditionellen 1. Mai-Umzug. Sie trennte den vordersten Teil der Demonstration um ca. 10:35 Uhr auf Höhe der Elisabethenkirche ab, indem sie über 200 friedliche Kundgebungsteilnehmende, darunter Minderjährige und ältere Personen, mit Gewalt vom Umzug abtrennte und “einkesselte”. Unter den Eingekesselten befanden sich auch unbeteiligte Dritte. Eine kleine Minderheit der eingekesselten Personen trugen Corona-Schutzmasken oder andere Gesichtsbedeckungen.
Die Einkesselung fand auf der bewilligten Route statt. Ihr gingen keine Gewalt oder Sachbeschädigungen seitens der Demonstrierenden voraus. Diese präventive Einkesselung steht in klarem Widerspruch zu den Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns. Sie ist eine krasse Verletzung der Grund- und Menschenrechte auf Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit, die sich insbesondere nicht mit einem Verweis auf das geltende Basler Vermummungsverbot rechtfertigen lässt. Schon bevor der 1. Mai Umzug startete, kam es in Kleinbasel zu Verhaftungen, ohne ersichtlichen Grund. Die BVB stellte den öffentlichen Verkehr bereits um circa 9.15 Uhr ein, was dazu führte, dass Demonstrierende sich nicht rechtzeitig zum Umzug begeben konnten.
Die Demokratischen Jurist*innen (DJS) Sektion Basel waren mit einem Beobachtungsteam vor Ort . Die Polizei hat einige Mitglieder des DJS-Teams gemeinsam mit dem Demonstrationszug eingekesselt.
Ein präventiver «Kessel»
Kurz nach dem friedlichen Start der Demonstration trennte die Polizei unter einem ausserkantonalen Aufgebot von weit über 100 Polizist:innen den vorderen Teil des Umzugs mit über 200 Menschen ab – ohne Anlass und ohne weitere Informationen zum Grund des Freiheitsentzugs.
Erst nach geraumer Zeit wurden die Eingekesselten in teils akustisch kaum verständlichen Anweisungen dazu aufgefordert, sich einzeln für Polizeikontrollen zur Verfügung zu stellen. Die Mehrheit der Betroffenen wollte sich kontrollieren lassen, um dem Kessel zu entkommen. Dennoch dauerte es fast drei Stunden, bis die ersten Personen herausgelassen und kontrolliert wurden.
Bei den langsam vorangehenden Kontrollen mussten sich sämtliche Personen – entgegen mehrfacher gegenteiliger Zusicherung – einer erkennungsdienstlichen Erfassung unterziehen (ID Angaben und Fotos). Ein Grund wurde ihnen auch auf Nachfrage nicht angegeben. Ausserdem belegte die Polizei eine Vielzahl von Personen mit einem Rayonverbot, welches bereits vorgedruckt war und die gesamte Demonstrationsroute mit weiträumigem Umfeld umfasst (zusätzlich auch ein Gebiet um die Staatsanwaltschaft und das Untersuchungsgefängnis Waaghof). Die Rayonverbote wurden bis zum 2. Mai 2023 um 23.59 verhängt, ohne Rücksicht darauf, dass sich unter den betroffenen Personen auch solche mit Wohnsitz in diesem Rayon befanden.
Den Eingekesselten wurde es nicht gestattet, während den circa 6 bis 8 Stunden, in welchem sie sich im Kessel befanden, auf die Toilette zu gehen oder zu essen (die nicht eingekesselten Demonstrierenden hatten Nahrungsmittel besorgt).
Weder erlaubte die Polizei Müttern zu ihren minderjährigen Kindern zu gelangen, um sie bei den Kontrollen zu begleiten noch liessen sie Anwält:innen , zu ihren eingekesselten Mandant:innen.
Unverhältnismässiger Mitteleinsatz
Vor und während der Einkesselung ging von den Kundgebungsteilnehmer:innen keine Gewalt aus. Dennoch setzte die Polizei gegen die Menschen im Kessel sowie gegen die Demonstrierenden ausserhalb des Kessels immer wieder Reizspray ein. Eine medizinische Behandlung wurde nicht sichergestellt.
Die Polizei drohte mehrfach Zwangsmittel an, sofern sich die Betroffenen nicht freiwillig zur Kontrolle begeben. Auf mehrfache Nachfrage, wie sich die Betroffenen verhalten sollen, erhielten diese keine Rückmeldung. Jeweils nach Androhung der Zwangsmittel verengte die Polizei den Kessel, obwohl es dazu keine ersichtlichen Gründe gab.
Zudem wurden alle Demonstrationsteilnehmenden und unbeteiligten Dritten während des Tages durchgehend gefilmt. Die filmenden Polizist:innen befanden sich auf einem Dach über dem Kesse der Demonstration sowie hinter den Polizeiabsperrungen und filmten ununterbrochen.
Ein beispielsloser Angriff auf Demokratie und Menschenrechte
Der gestrige Polizeieinsatz stellt ein beispielsloser Angriff auf die grund- und menschenrechtlich geschützte Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit dar. Die präventive Einkesselung zeugt von einer neuen Eskalationsbereitschaft seitens der Polizei, die unverzüglich mit allen zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen, parlamentarischen und juristischen Möglichkeiten untersucht werden muss.
Die DJS Sektion Basel haben im Vorfeld der 1.-Mai-Demonstration eine Beobachter*innengruppe für Kundgebungen gegründet, um die Einhaltung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit im Kanton Basel-Stadt zu beobachten, da es bereits in der Vergangenheit zu besorgniserregenden Einschränkungen dieser Grundrechte gekommen ist. Sowohl Regierungsrätin Eymann als auch Polizeikommandant Roth waren in der Woche vor dem 1. Mai 2023 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die DJS Basel die Demonstration am 1. Mai 2023 als Beobachter*innen begleiten würde. Eine Rückmeldung auf diese Ankündigung gab es nicht. Das Polizeipersonal vor Ort (darunter leitende Personen) waren nicht über die Anwesenheit und Rolle des DJS-Beobachterteams informiert.